FREUNDESKREIS

Thema "Die klassische Yacht"

Ansichtssache: "Klassiker"

Michael Meister, Bootsbaumeister:

"Das Beispiel des Kielbootes Drachen liefert interessante Aspekte. Vom Norweger Johan Anker 1928 als solides und kostengünstiges Jugendboot gezeichnet, hat sich der „Drachen“ im Lauf der Jahrzehnte zur größten Einheits- Kielboot- Klasse der Welt entwickelt und wird in mehr als 30 Ländern gesegelt.
In 1946 zur Olympiaklasse gekürt, hat er dieses Privileg bis zur Olympiade in Kiel 1972 glänzend genutzt und viele Boote wurden nach den bereits in den 30er Jahren klar definierten Bauvorschriften im Bezug auf Dimensionierung und Materialauswahl hergestellt. Nach dem Olympia- Ausstieg entwickelte sich die Drachenklasse trotz damaliger Befürchtungen durch weltweite Begeisterung und Verwendung neuer Materialien zu International bedeutender Regattatätigkeit.
Nicht nur die wunderschönen Linien und üppigen Überhänge, sondern auch die außergewöhnliche Harmonie der gesamten Konstruktion einschließlich Handling und Segeleigenschaften sind meines Erachtens ein Indiz dafür, dass es sich hier um einen echten Klassiker handelt. Nach meiner Einschätzung können auch Drachen aus den 70er Jahren als Klassiker angesehen werden, wenn sie den ursprünglichen Bauvorschriften entsprechen und aus Massivholz gefertigt sind.
Beispielgebend ist auch die Definition „historisch“ in der Sportbootrichtlinie 94/25EG v. 1994 der Europäischen Gemeinschaft mit folgendem Wortlaut hilfreich:
„Von der Richtlinie ausgenommen sind: Originalfahrzeuge und vorwiegend mit Originalmaterialien angefertigte und vom Hersteller entsprechend gekennzeichnete einzelne Nachbauten von vor 1950 entworfenen historischen Wasserfahrzeugen!“
Hier wird der Zeitpunkt der Konstruktion genauer definiert und ein besonderes Gewicht auf die Verwendung der Originalmaterialien gelegt um von der CE Zertifizierung befreit zu werden.
Letztendlich ist es aber auch der besonderen Liebe, Leidenschaft und Fürsorge der Eigner geschuldet, dass diese atemberaubend schönen Klassischen Boote und Yachten noch Heute lebendige Zeugnisse einer hohen Bootsbaukultur wiederspiegeln. Wie sagte doch mein langjähriger Ostpreußischer Freund und Bootsbaumeister Willy Empacher so treffend:
„Der Bootsbauer ist dem Künstler näher als dem Handwerker!“

Ansichtssache: "Klassiker"

Olin Stephens, Schiffbauingenieur:

"Klassische Yachten besitzen einen Flair, den nur wenige Boote haben, sind immer schwer zu definieren, aber sind allgemein anerkannt."

Ansichtssache: "Klassiker"

Robin Gates, Journalist:

"Schönheit liegt im Auge des Betrachters, auch die eines klassischen Bootes, oder vielleicht im geistigen Auge. Und auch der Effekt eines klassischen Bootes kann weitreichend sein, sogar Leben verändern. Schoner, Dampfer, Ruderboote... Ich habe kein besonderes Boot im Auge, aber ich kenne das Gefühl. Es ist ein Blick und er verweilt einen Moment, ein beschleunigter Herzschlag, feuchte Hände und die Ergebnisse im Leben nehmen eine plötzliche Änderung des Lebens vor, wo all die sorgfältig ausgearbeiteten Pläne gerade raus aus dem Fenster geworfen werden können. Es ist eine Obsession, die ich nicht erklären kann."

Ansichtssache: "Klassiker"

Dr. Ingo Heidbrink, DSM Bremerhaven:

"Der konkrete historische Wert eines Objektes wie eines Wasserfahrzeuges oft weniger von dessen Ursprungsbaujahr abhängt, als dem Grad, wieweit es während der Jahre durch Modernisierung von diesem entfernt wurde. Vereinfacht gesagt, ein Schiff Baujahr 1900, von dem bei einer ehrlichen Betrachtung nur noch der Kiel aus dieser Zeit stand und das ansonsten mit modernster Technik ausgerüstet ist, hat mit Sicherheit eine geringere historische Relevanz, als ein Schiff, das vielleicht nur 30 Jahre alt ist, aber die Lebens- und Arbeitsbedingungen dieser Zeit noch dadurch vollständig repräsentieren kann, als es nie modernisiert wurde."

Ansichtssache: "Klassiker"

Theo Rye, Konstrukteur:

"Ein 'Klassiker' in meinem Begriff ist ein Boot, dass sich durch seine Leistung von anderen seiner Art abhebt. Die Leistung kann nur Langlebigkeit oder so etwas wie eine bemerkenswerte Seereise sein, oder eine Kombination aus beiden Elementen, der klassischen und ungewöhnlichen. Handwerk, Schönheit, Herkunft und Fähigkeit sind in der Regel in einer Kombination, sind aber nicht Voraussetzung mit allen Mitteln. Mein Lieblingsklassiker ist die 'Ayrshire Lass', ein 24 ft William Fife Gaffelkutter von 1887, ein typisches Clyde-Dayboot. Paul Goss hat die 'Ayrshire Lass' von Michael Kennedy in Ost-Dunmore restaurieren lassen, um sie wieder in den ermittelten Orginalzustand zurückzubringen. Sie hat keine besonderen Konstruktionen, hat nur sehr begrenzte Anspüche als Rennfahrer und ist fast völlig unspektakulär, aber sie hat eine Aufrichtigkeit, die dazu beigetragen hat, dass Sie so lange überlebt hat. Und es macht Spaß, mit ihr zu segeln."

Ansichtssache: "Klassiker"

Wie ein segelnder Archäologe - Mark Horton - mit dem Begriff umgeht:

"Mindestens zwei der folgenden Voraussetzungen müssen durch die Yacht erfüllt sein:
- Sie ist älter als ihr Besitzer,
- wird von allen, die sie sehen, als hübsch geschätzt,
- ist nicht aus Tupperware oder ähnlichen modernen Materialien gebaut."

Ansichtssache: "Klassiker"

David Ryder-Turner

"Was bringt uns nun zu der Entscheidung, welches letztlich die Dinge sind, die ein Boot für die schwer fassbare und bisher oft unkritisch angewendete Auszeichnung qualifiziert, eine "Klassische Yacht" zu sein. Ganz aufrichtig - ich glaube nicht, dass es möglich sein wird, eine absolute Definition dessen zu geben, was wir mit dem Begriff "klassisch" meinen. Es ist überwiegend ein Gefühl, das durch Harmonie und Ausgewogenheit all der Linien erzeugt wird, so dass die Summe der Bruchstücke dem 'Ganzen' eine weitere Dimension gibt - die Qualität. Wie auch in der Musik oder Architektur sind es auch in der Yacht-Konstruktion die Ausgewogenheit und Harmonie, die Genauigkeit und Klarheit der Linien, die Vollkommenheit der Strukturen, die das Qualitätsprodukt im Gegensatz zu den weniger guten Schöpfungen auszeichnen. Es wird immer Imitationen geben und manche werden nahe an das Original herankommen, aber der wahre "Klassiker" wird ewig über dem Pseudo-Klassiker stehen."

Mehr zum Thema:
David Ryder-Turner: Die klassische Yacht

Ansichtssache: "Klassiker"

Der Schweizer Albert Obrist gründete 1987 "Fairlie Restorations", mit der Restaurierung der Altair leistete der Purist Pionierarbeit.

"Meine Karriere als Bootsrestaurierer liegt nun hinter mir – ich denke, es wir haben 16 Komplettrestaurationen hinter uns. Ich würde wohl sagen, dass es mehr das Alter ist, das das Boot zum Klassiker macht, mehr sogar als seine Schönheit. Und ich denke, wir können alles vor dem zweiten Weltkrieg als Kompromiss akzeptieren. Neue Boote sind keine Klassiker."

Mehr zum Thema:
Albert Obrist: Rettet, erhaltet und segelt die Yachtklassiker, ändert sie nicht!

Ansichtssache: "Klassiker"

Hal Sisk, Historiker

"Ein Klassiker sollte sofort als solcher zu erkennen sein. Natürlich spielt bei einer klassischen Yacht die Herkunft (Designer, Baumeister, bedeutende Besitzer) wie auch ihr Platz in der Entwicklung des Yacht-Designs (Durchbruch?) eine Rolle, aber kann ich auch ein wichtiges gemeinsames Merkmal empfehlen, das bei vielen nicht-klassischen Yachten zu fehlen scheint: eine Decksprunglinie.
Selbst die extremsten Rennyachten der Vergangenheit hatten eine spürbare Decksprunglinie. Tätsächlich könnte man sagen, dass eine Yacht ohne Sprung wie ein Gesicht ohne Lächeln ist! Okay, vielleicht darf man die "Gulvain" mit ihrem umgekehrten Sprung ausklammern – zu jeder Regel gibt es eine Ausnahme.
Viele der weltweit größten Yacht Designer haben es immer geschafft, einen dreidimensionalen Gegenstand aus jedem Winkel gut aussehen zu lassen, und ein guter Sprung zeigt das vor allem bei Krängung von Lee und Luv. Er spiegelt die natürliche Biegung des Holzes, wie es sich von einem spitzen Ende zum anderen zieht, und wir alle reagieren instinktiv auf diese universelle Ästhetik."

Ansichtssache: "Klassiker"

Franz Wilke:

Quasi alles noch original – wenn auch teilweise in keinem besonders guten Zustand - genau das ist faszinierend: "Den unberührten Originalzustand gibt es nur einmal, wenn er weg ist, ist er weg. Restaurieren können Sie alle zwei Jahre."

Nachfolgend einige längere Aufsätze zur Interpretation des Begriffes "Klassische Yacht". Auch sie sollen dazu beitragen, das Bewusstsein für die sachgerechte Einschätzung und Bewahrung unserer Schiffe zu befördern.


D. Ryder-Turner: "Die klassische Yacht"

J-C. Schaper: "Keine Berufsfahrzeuge?"

E. Wucherpfennig:"Die klassische Yacht"

E. Thyen: "Was ist eine klassische Yacht?"

I. Heidbrink: Anmerkungen zur Begriffsdebatte um die „klassische Yacht“

E. Thyen: Katalogisierung von klassischen Yachten ?


Ebenfalls lesenswert in diesem Zusammenhang ist der Versuch einer Standortbestimmung für Schiffs-Restaurierungen von J. Kaiser: "Altes Schiff - Was nun?"


NB: Wir freuen uns über weitere Beiträge.







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