KULTURELLES

Birgit Rautenberg-Sturm
Kystenbewohnerin

Birgit Rautenberg-Sturm berichtet über ihre aktuellen Arbeiten, die vom Leben an der kyste, Sturm, Flaute, Wellen, von der Einsamkeit und dem Glück auf See (u.a. mit dem Colin Archer „Maya“) erzählen:

das rauschen des schilfes, ebbe und flut, der geruch der weser und die emotionen an und auf dem meer haben mich seit meiner kindheit geprägt. sie ziehen sich wie ein roter faden durch meine kunst. es sind insbesonders die eigenen erfahrungen beim segeln aber auch die spuren, die erzählungen, briefe und fotos meiner seit generationen zur see fahrenden und segelnden familie, die in mir eine ganz eigene beschäftigung zu diesem thema auslösen. angeblich segelte meine großmutter als erste frau mit hosen auf der weser. dabei entsteht eine ganz spezielle sicht auf seefahrt. aber weniger das maritime an sich aus mehr oder weniger realistischer sicht, sondern eher das komplexe phänomen in verschlüsselter darstellung.
ich folge meinem bedürfnis nach echtem und unverfälschtem und verwende aus diesem grund authentisches material aus dem meer und auch teile von schiffen für meine experimentelle druckgrafik.
ferner versuche ich durch das materielle geschehen an meinen im meer versenkten zinkplatten über verschiedene zeiträume dem wesen der zeit nachzuspüren und sie darzustellen.

segeln, ferne kysten auf eigenem kiel neu entdecken und wissen, hinterm horizont geht es weiter. das wissen etwas neu zu entdecken, obwohl schon viele segler vor mir diese küsten erreichten, birgt für mich trotzdem immer wieder neue eindrücke. beim segeln mit unserem nachbau eines norwegischen zollkutters aus dem 19. jahrhundert genauso wie beim drucken mit einer technik aus dem 15. jahrhundert, verbinde ich die ursprünglichkeit dieser dinge an sich mit meiner zeit hier und heute. dabei balanciere ich gern auf der kante, immer an der grenze. kind, mann und freunde gehören zum arbeiten und leben dazu, sie werden immer und jederzeit in meine arbeit mit einbezogen.

während einer längeren segelreise mit unserem colin archer „maya" entlang der küste dänemarks, norwegens und schwedens, führte ich eine in tuch eingebundene zinkplatte mit, die in jedem hafen und vor anker über bord ging. dieses experiment mit korrosion durch seewasser zeichnete als „art-logge“ diesen segeltörn auf wunderbare weise auf. später besann ich mich auf dieses experiment und versenkte im jahr 2003 an festen orten in der ostsee grossformatige zinkplatten. mein ziel war es nun den schifffahrtsweg KIEL-FLENSBURG-WEG druckgrafisch darzustellen. eingenäht in malerleinen, festgezurrt mit teerband, verließen die hochglanz polierten zinkplatten mein atelier. sie traten eine reise zum leuchtturm kiel und kalkgrund leuchtturm, den nautischen wegweisern dieses schifffahrtsweges, sowie zum ehemaligen feuerschiff „læsø rende“ in möltenort, an. aus dieser aufwendigen kunstaktion, taucher mußten die radierplatten vom grund des leuchtturms kalkgrund bergen, entstanden zahlreiche grossformatige drucke sowie objekte aus leinen. fasziniert von den druckergebnissen erwuchs aus dem projekt meine neue arbeitsweise.
es folgten weitere versenkungen im herbst 2004 am kieler schifffahrtsmuseum. geborgen wurden diese platten zur saisoneröffnung des museums im frühjahr 2005 durch taucher. besucher konnten die unterwasseraktion auf einem videomonitor mit verfolgen. im sommer 2005 habe ich die versenkungsaktion am kieler schifffahrtsmuseum und in dänemark an ebbes baadebyggeri in marstal mit grösseren platten fortgesetzt.

die radierung, dieses alte künstlerische tiefdruckverfahren ist seit etwa 1430 bekannt, verbinde ich mit einer neuen drucktechnik, der intagliotypie. am computer lasse ich teilmotive entstehen, die mit einem uv-empfindlichen film auf die druckplatte belichtet werden. durch diese moderne variante gelingt es, die radierung weiter zu entwickeln und sie überdies gesundheits- und umweltschonend in die heutige zeit zu tragen.

meine unverwechselbare druckplattenbearbeitung beginnt bereits, mit dem einnähen der zinkplatten und wird dann mit dem versenken im meer über einen zeitraum eines halben jahres fortgeführt. das meer hinterläßt seine speziellen spuren auf diesen platten. sie haben als „seezeugen“ schon einiges „erlebt“ und dokumentieren so den zeitraum der versenkung, bevor ich sie im atelier mit weiteren platten und unterschiedlichen farben auf papier drucke.

mein atelier kystprik liegt auf position: 54°24,9‘n, 10°15,3‘e direkt auf der steilküste an der kieler aussenförde kiel leuchtturm genau gegenüber, im lichterfüllten sommer mit blick über ein gelb leuchtendes rapsfeld auf die ostsee, in den dunklen wintermonaten bleibt lediglich das gleichtaktfeuer des leuchtturms sichtbar. drei sekunden an, drei sekunden aus.
übrigens „kystprik“ ist ein kunstwort und läßt sich aus dem scandinavischen herleiten. es setzt sich aus „kyst“ wie küste und „prik“ wie punkt oder stelle zusammen, „küstenstelle“.

der umgang mit dem tuch wurde für mich unterdessen bedeutender. vom einnähen der platten vor dem versenken, über die verarbeitung der tuchfragmente, wie z.b. das beschriften des leinentuches mit bootslack, drucke ich nun konsequenter weise auch direkt auf stoff. nach dem trocknen ziehe ich die bedruckte leinwand auf keilrahmen auf.

zurzeit habe ich einige radierplatten in einem wrack in der ostsee versteckt .....


Liste der gezeigten Arbeiten:

segeln hilft
hafenhandbuch
KI / FS II
steven maya


Biografie von Birgit Rautenberg-Sturm
1957 geboren in Bremen
fachhochschulreife grafik-design schwerpunkt druckverfahren
studium in bremen / diplom
1990 eigene druckwerkstatt
seit 1992 zahlreiche einzel- und gruppenausstellungen
2000 ausbau "atelier kystprik"

Arbeiten in öffentlichen Sammlungen:
archiv für kabarettistik, mainz
tanzarchiv köln, "kamphüs" kampen/sylt
provinzial versicherung kiel
datenzentrale kiel
ministerium für finanzen kiel
kieler stadt- und schifffahrtsmuseum
schmerzambulanz rendsburg

24235 stein - ellernbrook
fon 04343 7014

www.kystprik.de



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