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Robbe & Berking Classic Week // 11. bis 20. Juni 2010

Backstage-Bericht von Jens Burmester

Ein großer Erfolg. Das war sie, die „Classic Week 2006“, ohne Frage. Und ein Damoklesschwert.
Zumindest zeitweise.

Es gibt wenige Ziele, die sicher ehrgeiziger sind, als das, einen unbestreitbar großen Erfolg zu wiederholen, oder besser – weil eine reine Wiederholung nicht als gleichwertig empfunden würde (so sind wir Menschen nun einmal) – zu „toppen“. Das war und ist die nicht ganz triviale Aufgabe, der sich ein Team aus Anfängern, Fortgeschrittenen und Wiederholungstätern stellt: Organisiert doch „mal eben“ die Classic Week 2010! Und die, da sind wir bereits mitten im Thema, muss erst einmal einen Namen bekommen. Wie benennt man eine Veranstaltung, die jeder unter einem vorgeprägten Namen kennt, so, dass der ideelle Träger, der Hauptsponsor und natürlich auch die anderen Geldgeber glücklich und zufrieden sind, die „Macher“ sich damit identifizieren können und die Teilnehmer – und das ist letztlich das Wichtigste! – gern kommen!

Aus etlichen Zungenbrechern und Bandwurmnamen, die als eierlegende Wollmilchsäue auch noch nach internationalen und historischen Aspekten schielten, schälte sich schließlich der nun hoffentlich wirklich allen bekannte Name heraus, und das mühsam getaufte „Kind“, die „Robbe & Berking Classic Week 2010“, konnte seine ersten Schritte wagen.

Die Organisatoren aus den vier Veranstaltungsorten hatten zunächst einmal die Aufgabe, für sich selbst so viel wie möglich von dem historisch gewachsenen Erwartungsdruck abzubauen (einmal kann man Glück haben, auf ein zweites Mal darauf zu setzen, wäre töricht), um gleichzeitig nach Höherem zu streben und ein Team zu werden, das seinen Weg findet. Menschlich, das darf man sagen, haben sich die Veranstalter in den zwei Jahren intensiver werdender Zusammenarbeit, recht gut kennen und schätzen gelernt.

Natürlich galt es, die Sorgen und Ansprüche der wirtschaftlichen Träger des Risikos ebenso zu berücksichtigen, wie die von vielen Seiten herangetragenen inhaltlichen Wünsche gebührend zu würdigen. Dabei ist eine Veranstaltung, die einen zentralen Hauptsponsoren und mehrere Nebensponsoren hat, schon von sich aus ein finanzpolitisch fragiles Gebilde. So schön es ist, dass Geldgeber mit ernstzunehmendem Potential im Hintergrund stehen, so vorsichtig muss mit den einzelnen Sponsoren umgegangen werden. Ich glaube, wir hatten Glück – nicht viele Veranstaltungsteams werden sich über ein so lockeres Klima in dieser Hinsicht freuen können.

Uneinheitlich waren die Vorerfahrungen der Aktiven – einige hatten schon 2006 mitgewirkt und mitgestaltet, andere waren immer noch beinahe Neulinge, kannten die Vorgängerveranstaltung nur vom Hörensagen. Dem Reiz, bei einem solchen Großereignis aus dem Vollen schöpfen zu wollen, muss man beinahe automatisch erliegen. Aber leider gibt es bei so selten stattfindenden Höhepunkten auch große Unbekannte in den Gleichungen: Niemand weiß, wie sich die Meldezahlen entwickeln werden, keiner kann sagen, ob dieser oder jener Hafen oder diese Halle besser passen wird, zu leer sieht traurig aus, dämpft die Stimmung, zu voll schafft ganz andere Probleme bis hin zu Unmut oder Sicherheitsaspekten. Da sich die Teilnehmerzahlen unmittelbar auf die direkten Kosten für die Bewirtung, aber auch auf Erwartungen von Sponsoren auswirken, sind Schätzungen in diesem zentralen Bereich mindestens so schwierig und heikel, wie heute eine Wettervorhersage für den dritten Veranstaltungsnachmittag zu machen. Am leichtesten sind die festen Kosten zu berechnen, was kostet die Band für die Fete in Kappeln? Klar, der Preis ist bekannt. Das Barbecue im BKYC am Freitagabend? Klar: Soundsoviel pro Person – ist doch ganz einfach. Wir rechnen mal mit „so bummelig“ 200 Schiffen, macht, plusminus – wie viele Piepels segeln eigentlich auf so’nem 12er? Oliver, Du weißt das doch. Also, ähhh vonbis. Wir gehen da mal so von 3,14159265 sprich „pi mal Daumen“ pro Schiff aus – und schwups! liegt nicht das Barbecue, sondern die ganze Chose im Pfeffer, willkommen in der Quadratur des Kreises. Und – so viel ist sicher – es gibt viele Kreise. Wer meldet, zahlt – so weit ist das ganz einfach.

Die vier Grundrechenarten aus der zweiten Grundschulklasse reichen völlig aus.
Wer aber nachmeldet, taucht in keiner Planung auf, hat aber trotzdem Hunger. Durst. Will (und soll) Spaß haben. Herzlich Willkommen!
Kommen viele, brauchen wir uns um die Stimmung nicht so zu sorgen, kommen etwas weniger, ist die Halle im BKYC schon zu groß, und das drückt auf eben die Stimmung. Reichen die „Herzhäuschen“ vor Ort? Wie lange brauchen die Teilnehmer am Samstagmorgen in Kiel für das englische Frühstück? Können wir wie üblich um 12 Uhr starten, oder haben wir keine Chance, zwischen acht Uhr früh und zwölf Uhr mittags zwei Schichten British Breakfast für geschätzte 500 Personen, eine Steuermannsbesprechung, das Auslaufen von bis zu 180 Schiffen auf engem Raum und die Passage über die Schleusenreede nach Düsternbrook zu bewerkstelligen? Wie groß ist das (neudeutsch) Zeitfenster zwischen dem Einlaufen der erwarteten Kreuzfahrtschiffe und dem Almabtrieb der Touristenschooner? Wir sind nicht allein!

Heiße Themen, heiße Köpfe, Meinungen, Wunschdenken, Statistiken, Hochrechnungen. Wir treffen uns ja nicht im kleinen Kreis, es kommen Leute und Schiffe von ganz weit her (man sagt, sogar über den Atlantik!), und das nicht unseretwegen – sie wollen alle nur das eine: Dabei sein, Spaß, Vergnügen, Segeln, Sehen, Freude, Genießen, wir sind doch alle eine große „Familie“.
Kommen eigentlich alle erwarteten Schiffe in die hübsche Schlei wirklich hinein? Regatta westlich von Arnis – kein Ding, über das man groß nachdenkt, denkt man zunächst. Die anderen segeln dort ja auch jedes Jahr im August um Speck und anderes. Nur: Die sind auch nicht bis zu 30 Meter lang oder heißen „Zwölwer“ und stecken mal eben so reichlich drei Meter tief. Und schon östlich von Kappeln geht eine Hochspannungsleitung über die Förde, die man auch nicht mal eben abschalten kann: „Hallo, da brauchen wir einen Shuttle-Service für die Besatzungen der „Großen“, die sonst die Suppentour nicht mitlöffeln können!“ Wo ist das Problem?
Und die Kleinen? Kommen die denn überhaupt bis nach Kappeln, wenn es zum Beispiel am Mittwoch wie blöde aus Südosten pustet und die Ostsee zum Wildwasser wird?
O.k., also muss ein „richtiges“ Schiff her, das als Mutterschiff für die erhofften Jollen-Mitmacher als Sicherheits- und Rückzugsebene eingezogen wird. Da gibt es doch dieses ehemalige Frachtschiff in Flensburg, richtig, Gesine heißt das gute Stück, die brauchen wir als Mutterschiff. Und wenn die sowieso dabei sind, kann Gesine auch gleich noch als Regattabüro, Fotosammelstation, Gepäck- und Trossschiff, als Fotografenplattform, Biergarten, Musikbühne, Rechenzentrum, Jollenschlepper und Wellenbrecher dienen!

Wo das Wort Regattabüro schon gefallen ist: Wie steht es denn um die Wettfahrten selbst? Die sollten doch das zentrale Element bilden – haben wir denn dafür die nötige Organisation, Begleitboote, Wendemarken, Schiedsrichter, Helfer?

Die örtlichen Vereine stellen die rechtliche Grundlage für die wettseglerischen Abläufe zur Verfügung. Ohne die Flensburger, Kappelner und Kieler Vereine ginge das nicht. Aber: Wer hat den Hut auf? Wer spuckt im Zweifel wem in die Suppe? Wie steht es um die Regatta-Infrastruktur an den jeweiligen Orten, Genehmigungen, Anmeldungen bei Behörden, Erlaubnisse für dies und das? Schon beim oberflächlichen Lesen fallen die vielen Fragezeichen im Text auf – sie häufen sich.

Wie erreichen wir eigentlich unser „Publikum“? Machen wir genug Werbung, wie bekommen wir genügend der sehr erwünschten internationalen Beteiligung? Gut, wir schreiben Artikel, reisen herum, nutzen den Segelurlaub für Werbezwecke, machen uns auf dem Wintertreffen über uns selbst lustig und die „Sache“ damit öffentlich, wir platzieren uns, wo es nur passt. Wird es reichen?
Die Presse muss mitspielen – auch so eine Baustelle. Natürlich ist so ein seltenes, fotogenes Ereignis ein Leckerbissen für die, denken wir. Die stürzen sich doch auf alles, was aus dem Rahmen fällt. Ganz so ist es denn doch nicht. Fotografen, Reporter, Fernsehen, sie alle wollen vorher gefüttert werden. Angefüttert. Dabei ist dieser Teil der Arbeit fast nicht für die Veranstaltung selbst wirksam, allenfalls für die nächste in ein paar Jahren. Und natürlich – das ist nicht zu unterschätzen – für unser aller Anliegen, das ja hinter allem steht, die Pflege der Kultur alter Yachten.

Schließlich kommt das Finale zur Sprache: Was gibt’s zu Essen, was zum Frühstück? Bekommen wir alle Schiffe überhaupt im Hafenbecken untergebracht? Die Räumung des Hafenbeckens zum ersten Wochenende der Kieler Woche ist immer so ein Husarenstück – wer, bitte, verlässt, wenn es ohnehin keine Liegemöglichkeiten für alle gibt, an so einem Tage freiwillig seinen angestammten Platz? Bitten, bluffen, betteln, behördliche Verfügung, Rückenwind vom Hafenkapitän, eingefahrene Resistenzen der Betroffenen sind sprichwörtlich. Und dieses Jahr brauchen wir ALLE Plätze, das ist klar.

Und wie beenden wir das angestrebte Spektakel angemessen? Einfach so, wie wir es in Kiel „immer“ machen, mit Cercle und Siegerehrung – nein, das ist zu einfach. Wir werden hoffentlich eine ganze Woche voller schöner Segelereignisse hinter uns haben, da muss am Ende noch mal etwas Besonderes her: Wir feiern einen Ball! Sagen jedenfalls die Kieler.
Nach ein wenig Überzeugungsarbeit nicht so tanzwütiger „Macher“ wird der Ball umgetauft in „festliche Abschlussveranstaltung“. Nicht das große Ballkleid wird erwartet – das kann auch keine Jollenseglerin dabei haben – aber richtig so ein kleines bisschen festlich darf es doch werden.
Der Kieler Yacht Club bietet mit seinen Räumen den Rahmen, eine Kieler Kultband, die auf der Kieler Woche wirklich Tausende in Wallung zu bringen pflegt – Tiffany! – soll einheizen, ein schickes Buffet wird da sein, um Mitternacht vielleicht noch ein Süppchen? Zwei Siegerehrungen muss es geben – Ach du Schreck! Wir brauchen noch Preise! Es wird aber auch Zeit, dass uns das noch einfällt!

Damit kehren wir zurück zum Realismus: Preise, gut und schön, aber wie viele wird es geben (müssen)? Wie viele Meldungen, wie viele Bootsklassen, wie viele Starts, wie große Felder? „Siehe oben“, muss die Antwort lauten. Nobody knows. Dann fragen wir den doch einfach.
Auf Verdacht werden die Zahlen geschätzt, zu viele bedeutet eine zweistündige Siegerehrung, zu wenige ist peinlich:
Gläser? Becher? Teller? Silberne Löffel? Sachpreise? Wanderpreise? Scherz- und Ehrenpreise?
Für was, abgesehen von der rein sportlichen Leistung, soll es denn Preise und Ehrungen geben? Wer moderiert das ganze schließlich? Zwei Verdächtige stehen bereit – das ist eine der leichter zu beantwortenden Fragen.

Alle Fragen, derer es noch Hunderte mehr gibt, wirklich alle Fragen beantwortet am besten die Teilnahme – das ist eine Binsenweisheit.
Frühlingsanfang, noch 77 Tage. Gerade flattert die erste interne Meldeliste auf den Bildschirm, Ha! Da sind ja schon 43 Yachten verzeichnet, die unbedingt teilhaben möchten! Und – im Vertrauen – die „üblichen Verdächtigen“ fehlen größtenteils noch. Die werden doch wohl auch noch kommen? Ich muss gleich mal eine Rundmail starten, das sind, das werden ja dann mindestens – wir brauchen den größeren Saal..!



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