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"Gretl IV" - Die Geschichte eines 20er Jollenkreuzers


Gretl IV, Sommer 2001

Günther Montag: "Es sind wohl immer die kleinen Begegnungen, die dem Leben seinen Wert geben und für die Betroffenen eine ungeahnte Änderung mit sich bringen. Das Leben lebt von diesen Geschichten. Man stolpert zum Beispiel über einen Bootssteg und bleibt an einem alten Jollenkreuzer hängen. Und man denkt, dieses schöne Schiff möchtest du besitzen. Wir erwarben es. Uns beiden, Hilmar Linnenkamp und Günther Montag war klar, dass wir eine verantwortungsvolle Pflegeaufgabe übernommen hatten, denn Holzboote, die ein derart hohes Alter erreicht haben, sind von großem kulturhistorischem Wert.

Die technischen Daten sind schnell genannt: 20er Jollenkreuzer, gebaut 1927, Bootswerft: Berkholz & Gärsch Friedrichshagen, 7,67 X 2,18 m, Gaffeltakelung, Rotzeder auf Eiche, Aufbau Mahagoni, Rollreffanlage."

Günther Montag hat Peter Heycke gebeten, die Geschichte der ersten Jahrzehnte dieses Bootes zu erzählen. Peter Heycke, Sohn des ersten Eigners Paul Heycke, war selbst lange Jahre Skipper der Gretl IV.


Die ersten Jahrzehnte der Gretl IV - erzählt von Peter Heycke

Vor mir steht das 7 cm lange Holzmodell von Gretl IV. Das dürfte etwa 1947/48 entstanden sein. Der Künstler war ein Verehrer meiner Schwester Ursel, die damals 18 oder 19 Jahre alt war. "Haben Sie nicht Lust, mit Segeln zu kommen", so wird sie ihn gelockt haben. Mit den gleichen Worten habe ich im Jahre 1961 um meine Frau geworben, mit der ich noch heute verheiratet bin.

Die Geschichte von Schiffen und Booten ist ja immer auch die Geschichte von Menschen. Gretl IV hat für unsere Familie eine besondere Bedeutung. Ich verdanke vermutlich meine Entstehung einer Nacht im schönsten Teil des Templiner Sees bei Potsdam. Und als ich dann 14 Tage alt war, soll ich meinen ersten „richtigen“ Kontakt mit dem Jollenkreuzer gemacht haben.

Der 20qm Jollenkreuzer wurde 1927 bei Berkholz & Gärsch, ursprünglich als Z 98, später R 98 in Friedrichshagen bei Köpenick von meinem Vater in Auftrag gegeben und gebaut. Ein eingelassenes Messingschild kündet noch von den Bootsbauern. In der gleichen Werft wurde, wie allseits bekannt, auch der Jollenkreuzer von Albert Einstein hergestellt. Im Jahre 1935 erhielt Gretl den Standerschein des Vereins Potsdamer Rennsegler, eingetragen in das Yachtregister des DSV unter der Nummer 2812. Meine Mutter Margarete, genannt Gretl, war Namensgeberin und Taufpatin des Bootes. Man soll zu meinem Vater Paul Heycke gesagt haben, "wenn Sie das Boot aus Zedernholz bauen, wird es nur 15 Jahre halten".Weit gefehlt, wie man sieht. Mein Vater war nämlich nicht nur Touren- und Wandersegler, sondern auch als Regattasegler bekannt und gefürchtet. Die Bereiche Templiner See, Schwielowsee und Großer Zernsee, alle westlich von Potsdam gelegen, waren seine bevorzugten Regattareviere. Einige seiner gewonnenen Auszeichnungen sind noch heute in meinem Besitz. Im ganzen Revier gab es in diesen Jahren wohl angeblich nur einen ernstzunehmenden Regatta-Konkurrenten, nämlich meinen Vater. Zahlreiche erste Plätze und Preise künden davon.

Unsere Urlaubsreisen führten uns regelmäßig in den Brandenburger Raum. Auf dem Riewender See habe ich schwimmen gelernt. Das weiteste Fahrtziel war Ferchesar mit Hohenauer See nördlich von Rathenow. Diese wunderbaren Familienreisen sind mir noch erinnerlich. Gerade die Touren auf Kanälen und unbekannten Seen waren für mich richtig spannend.


Auf dem Ferthesaer See

Gretl IV war das vierte Boot meines Vaters. Erwähnenswert: ein Nationaler 45iger Seekreuzer (P 8), er gilt leider als verschollen und eine H-Jolle (H 127). Um diese H-Jolle rankt sich auch eine ebenso kleine wie interessante Geschichte. Das Boot war von Paul an seinen Schwager Hermann Sauer verkauft worden. Sein Sohn Jürgen Sauer, jetzt immerhin auch schon 70 Jahre jung, entdeckte auf dem Dümmer zufällig und überraschend das ehemalige Familienboot. Er sprach den Eigner an der ihm sagte, er habe die Jolle wiederum von seinem Vater aus Bayern erhalten. Jürgen erklärte ihm, dass im flachen Vorschiff, in das man nur kriechend hinein konnte, an einer Spante noch ein Spielzeugauto kleben müsse, das 1946 dort angebracht worden war. Er durfte hineinklettern und fand das kleine Auto tatsächlich. Anhand dieser Begebenheit mag man erkennen, wie klein die Welt der Segler sein kann und in Jollenkreisen durchaus übersichtlich.

Der Liegeplatz von Gretl IV war in Potsdam der VPRS - Verein Potsdamer Rennsegler - auf der Unteren Planitzinsel. Über diese Insel führt die Eisenbahnlinie nach Magdeburg und aus unseren Schlafkojen heraus hörten wir damals jeden Zug, der über uns durchratterte. Auf der Rückseite dieser Insel ist die Neustädter Havelbucht, an deren Ufer das Pumpwerk für Sansscouci im maurischen Stil steht. Wassertechnisch gehört diese Insel zum Templiner See.

"Rennsegler"

Damals war die Havel an der Fähre Tornow durch sehr flach hängende Elektrodrähte behindert. Man musste jedes Mal die Gaffel „dippen“, um darunter herzusegeln. Weiter kommt man dann am Dorf Caputh vorbei, dem Wohnort Einsteins. Meine Mutter hat ihn mehrfach segeln sehen. Wenn er eine Idee hatte, so erzählte man sich damals unter Potsdamer Seglern, fuhr er einfach ins Schilf hinein und ließ die Segel flattern. Sie berichtete uns Kindern, dass wohl ein Zahnarzt, möglicherweise aus Babelsberg nach Einsteins Flucht aus Deutschland sein Boot erstanden haben soll, mit seinem Hinweis auf Linientreue zu den Nazis. Ein 20er hat seinerzeit einige tausend Reichsmark gekostet, was doch eine ganze Menge Geld war. Segeln galt damals in den Augen der Landratten als Luxus oder Spleen.


Gelbstoschleuse


Überführung im Teltowkanal

Weiter geht es über die Seilfähre Caputh, die unter Wasserfahrern berüchtigt war, weil sich der Fährmann, jetzt in der 4. Generation, einen Spaß daraus machte, so anzufahren, dass die Skipper Angst haben mussten, auf das sich spannende Seil zu stoßen. Wir hatten zwar damals einen Außenborder König mit 3 PS - aber der war sehr unzuverlässig. Und so wurde nach Leibeskräften gepaddelt, um aus der vermeintlichen Gefahrenzone herauszukommen. Weiter ging es dann durch das Kanalstück bis zur Caputher Eisenbahnbrücke. Die war noch in den Jahren bis 1950 gesprengt und wir konnten geschickt durch die zerstörten und beängstigend herausragenden Eisenträger durchsegeln. Die Durchfahrt war höchstens 20 m breit.

Dahinter kommt der herrliche Schwielowsee, wo wir die Löcknitz ansteuerten. Ein Baggerloch der ehemaligen Ziegelei. Dort bin ich im Sommer aufgewachsen. Wir haben damals einen Holzsack dabei gehabt und kochten uns unser Essen auf vier Ziegelsteinen. Zu dieser Zeit war mein leiblicher Vater Paul schon lange gefallen und mein sportlicher Stiefvater schnell zu einem guten Segler gereift.

Den Krieg hat das Boot gut versteckt in einem Holzschuppen nahe Potsdam überstanden. Bis auf ein paar Einschüsse im Kajütaufbau und vorne neben dem Steven, dessen Spuren sicher heute noch zu sehen sind, ist alles gutgegangen.

Dennoch versuchte man das Boot in der wilden Nachkriegszeit zu requirieren oder zu stehlen. Die Steganlage war mit zwei schweren schwimmenden Holzbalken gesichert, die man erst umständlich wegschieben musste. Vorbeugend nahmen wir auch jedes Mal das Ruder heraus, um einen Diebstahl zu erschweren. Und das hat auch funktioniert, denn als einmal der versuchte Diebstahl unseres Bootes von Werfteigner Gutewort entdeckt wurde, fuhr auch schon die Wasserschutzpolizei heran und die Diebe hatten große Schwierigkeiten, Gretl IV auf Kurs zu halten. Sie kamen nämlich mit den Riemen nicht so schnell voran. Innerhalb kürzester Zeit wurden die Kerle eingefangen.

Der Jollenkreuzer war für uns damals ein wichtiger Anker zum Überleben. Der Vater war im Krieg geblieben und die beiden Frauen hatten im Sommer einen Fluchtpunkt vor dem ganzen Jammer von Hunger und Berliner Trümmern. Schon 1946 trauten sich meine Mutter und meine Schwester wieder aufs Wasser. Damals war es an der Tagesordnung, dass die Russen mit Handgranaten fischten, dass sie schwimmend unser Boot entern wollten und ähnliche für uns heute schwer vorstellbare Scherze trieben. Im nachhinein gilt es schon als ein Wunder, dass in dieser Zeit nicht schlimmere Dinge mit uns passiert sind.

In Erinnerung ist mir auch noch eine Szene aus dem Jahre 1944: Wir lagen in Poeben nördlich von Werder/Havel. In einer mondhellen Nacht fand ein schwerer Luftangriff auf Potsdam statt. Alles musste verdunkelt werden, damit kein Lichtschein die Bomber hätte anlocken können. Wütende Dorfbewohner bedrohten uns, weil sie der Meinung waren, dass wir ein Licht in der Kajüte hätten brennen lassen. Das war aber eine optische Täuschung; das Mondlicht spiegelte sich im Metall der verchromten Bullaugen und dem hellen Deck wider. Wir machten uns schnell davon.

1952, ich war 12 Jahre alt, wurden wir aus dem Paradies vertrieben, die Ostzone wurde für Westberliner gesperrt. Die Mauer kam ja erst 1961. Wir verlegten uns auf die Bootswerft Horst Ruhs, Straße am Wannsee, ein Stück neben dem VSAW. Denn damals war es kaum möglich, in einen Westberliner Segelverein aufgenommen zu werden. Wir verbrachten nach wie vor jedes Wochenende auf dem Boot und zwar zu fünft: Mutter Margarete, meine Schwester Ursel, ihr Mann Claus Bache, ich und später noch Christel, meine damalige Freundin und Verlobte. Mit so einer Enge auf so wenig Raum würde man heute nicht mehr leben können und wollen. Eigentlich unvorstellbar! Unsere Lieblingsstelle war - und ist heute für meinen Sohn Robert - eine Badestelle gegenüber der Pfaueninsel, die für Kinder geradezu ideal ist.

Ein kurzes Wort möchte ich noch auf die Pflege verlieren. Gretl IV wurde von uns jedes Jahr neu lackiert, das Unterwasserschiff geschliffen und mit Kupfer gestrichen, bis die Augen zugequollen waren. Was waren wir damals unwissend und leichtsinnig!

Wir haben Gretl IV niemals umgeworfen. Man muss sie immer aus der Hand fahren. Aber Unfälle gab es schon: Sorglos und übereilt habe ich zweimal während meines gesamten Seglerlebens Unfälle provoziert. Einmal bekam meine damalige Freundin Christel bei einem Gewittersturm auf dem Wannsee den Baum an den Kopf und fiel dabei fast besinnungslos in die Plicht. Ein anderes Mal machte ich Bekanntschaft mit einem Angelkahn, dabei wurde mein rechter Daumen zerquetscht. Ich kam in ein Krankenhaus, das damals in der Liebermann-Villa am Wannsee untergebracht war.

1969 kam Gretl IV von Berlin nach Ratzeburg, auf den Ratzeburger See zur Werft von Ede Döhring. Dort ist heute eine Schiffsanlegestelle.


1969 auf dem Ratzeburger See

Da wir inzwischen zwei Söhne bekommen hatten, wurde Gretl IV zu klein und wir verkauften sie an einen Schuhhändler aus Schwarzenbek. Der ist inzwischen verstorben, aber er hat das Boot gerne gesegelt. Durch den nachfolgenden Besitzer wurde das ursprüngliche Leinendeck, das jedes Jahr gestrichen werden musste, durch ein Teakdeck ersetzt. Der Name dieses Eigners ist mir nicht mehr bekannt.

Das Boot hat viel mitgemacht. Es stand wohl einige Zeit bei Bootsbauer Klaus-Werner Döhring, dem Sohn des alten Ede Döhring. Dort hat es ein Auto erwischt. Der Fahrzeughalter ist unachtsam auf das Werftgelände gefahren und hat das Boot umgeworfen“.



Herbst 2001

Für die neuen Eigner der Gretl, Hilmar Linnenkamp und Günther Montag, war es von Anfang an wichtig zu erfahren, welchen Weg der Jollenkreuzer genommen hat.

Günther Montag: "Mit Hilfe unseres Bootsbauers konnte ich Kontakt aufnehmen zu Peter Heycke, der mich mit seinem sehr persönlichen Beitrag zur Gretl-Geschichte begeistert hat. Ihm gilt mein besonderer Dank. In der Zwischenzeit haben wir die beiden Heyckes, Christel und Peter, auf dem Ratzeburger See kennengelernt. Sie segeln heute ihren 20iger Jollenkreuzer Emma, einen Lerche-Riss aus dem Jahre 1972."

Nach den Recherchen Montags hatte Horst Brauer, der aus Hamburg stammt, mit seinem Segelpartner Wolfgang Silz aus Reinbek Gretl IV 1993 von besagtem Schuhhändler - Frank Müncheberg aus Schwarzenbek - erworben.

Hilmar Linnenkamp und Günther Montag kauften von den beiden Seglern das Boot 2001 für 14.500,- DM.

Günther Montag: "Es war tatsächlich 'Liebe auf den ersten Blick'. Entscheidend für den Kauf von Gretl IV war übrigens Hilmars Frau Ariane, meine Tochter, die uns mit vielen schönen Argumenten davon überzeugte, Gretl zu erwerben. Ihren intensiven Überredungskünsten waren wir zwei, die sich eher auf Nord- und Ostsee herumtreiben, nicht gewachsen.

Mit dem Kauf des Histörchens wussten wir allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht, auf was wir uns eingelassen hatten. Alle Unkenrufe der Freunde, doch bitteschön kein altes Holzboot zu kaufen, schlugen wir in den Wind.

1. Refitaktion - 2001 bis 2006

Unser Jollenkreuzer, so fanden wir sehr schnell heraus, war in einem nicht sehr guten Zustand. Es mussten in den ersten Jahren erhebliche monetäre Mittel, die weit über dem Anschaffungspreis lagen, bereitgestellt werden. Das begann mit einer neuen Baum- und Ganzpersenning und hörte mit neuen Segeln und Schoten auf. Aber wer schert sich schon darum, wenn der Bauch eine ganz andere Sprache spricht. Nur wenig später habe ich als Mitsegler auf Anita - einem historischer Zwölfer - erfahren, wieviel Liebe jedes alte Holzschiff benötigt.

In den Folgejahren wurden viele Reparaturen in unzähligen Arbeitsstunden und in den darauf abgestimmten Arbeitsschritten auch in Eigenleistung ausgeführt. Denn bei allen Überlegungen und Maßnahmen durfte eines nicht außer Acht gelassen werden: Aus Bonn und Brüssel kommend, lagen mit Hin- und Rückfahrt über tausend Kilometer zwischen uns und Gretl.

Die großen Reparaturen, zum Beispiel die Herstellung und den Einbau eines neuen Schwertkastens, konnten wir nicht übernehmen. Hierfür war der Bootsbauer zuständig. Nach seinem Verständnis sollte Gretl möglichst wenige – wenn überhaupt - Änderungen erfahren. Und, so fanden wir gemeinsam, je mehr bei einer Restaurierung Handwerkstradition und Handwerksverantwortung bewahrt wird, desto authentischer bleibt das Boot.

Die ersten Gehversuche in Sachen Pflege und Renovierung des Jollenkreuzers waren nicht einfach; denn als Schreibtischtäter sind uns selbst die einfachsten handwerklichen Arbeiten nicht gerade in die Wiege gelegt worden. Wir haben lernen dürfen und Erfahrungen sammeln müssen. Wenn ich heute diese Zeit Revue passieren lasse, haben wir nach unserem Verständnis Gretl zunächst eher rückwärts gebaut.

Bei all unserem Tun haben wir gelernt, welch kompliziertes Arbeiten hinter der Restaurierung alter Boote steht. Das Wissen über Material und Handwerk und den Rückblick auf die Entwicklung des Bootsbaus hat uns Karl-Heinz Sager nähergebracht. Mitgenommen aus allem Tun ist das Wissen um die Erhaltung und Pflege. Denn wenn man erst einmal „bei“ ist, ist der weitere Pflegeaufwand nur noch halb so groß.

2. Refitaktion – 2007 bis 2009

Mit den Jahren werden aus schönen Spieren unansehnliche Rundhölzer. 2007 haben wir – neben den üblichen jährlichen Pflegearbeiten - uns den Mast, den Gaffelbaum und den Großbaum vorgenommen. Es stellte sich heraus, dass besonders der Baum trotz vorangegangener Klebearbeiten nicht mehr zu retten war und immer wieder auseinanderfiel. Eine neue Spiere musste also her. Hier erwies sich das Lager unseres Bootsbauers als nahezu unerschöpfliche Fundgrube. Hatte doch sein Vater im Lager noch aus alten Nachlässen picea sitchensis gesichert. Bei näherem Hinsehen stellte sich heraus, dass das Rundholz aus dem Jahre 1933 stammte. Aus einer Bardenflether Werft mit Namen Winter, die heute nicht mehr existiert. Man kann also davon ausgehen, dass das Spruceholz bei seiner Weiterverarbeitung zum Gretlbaum ziemlich abgelagert war. Nichts deutete darauf hin, wo denn nun Bardenfleth geographisch zuzuordnen wäre. Auch im Autoatlas wird der „Flecken“ nicht geführt. Hier half mir der Zufall weiter. Als Mitglied der DGzRS erhalte ich jedes Jahr einen großen Leistungsbericht. Und hier war Bardenfleth in der Wesermarsch als Produktionsort der "Theodor Heuß" beschrieben. Die Position: 53° 11` 00 N und 008° 29` 00 E.

Zur Bootswerft Berkholz und Gärsch

Aufmerksam geworden auch durch den Freundeskreis klassischer Yachten habe ich mich mit meinem Sohn Clemens am 30. April 2006 aufgemacht, die Werft Berkholz und Gärsch in Berlin zu suchen. Wir wollten auf dem Müggelseedamm 70-72 fündig werden. Leider waren unsere Befragungen und unsere Spurensuche nicht von Erfolg gekrönt. Denn an beschriebenem Ort befindet sich ein modernes Yachtzentrum. Gar so schnell wollten wir aber nicht aufgeben. Eine erste wichtige Spur ergab sich durch Vermittlung meines lieben Kollegen Wolfgang Rühmling aus Potsdam. Herzlichen Dank an ihn. Nach seiner Recherche lebt ein Enkel von Franz Gärsch heute in Berlin-Dahlem. Erste vorsichtige Telefonate mit Wolfgang Gärsch, heute 70 Jahre jung, und mir zeigten Erstaunliches auf. So erfuhr ich, dass die Werft Berkholz und Gärsch 1905 auf dem Müggelseedamm 208 gegründet wurde. 1920 stieg Kompagnon Berkholz aus. Ab da verliert sich seine Spur. Bis 1944 baute Franz Gärsch Boote, speziell H-Jollen. Im gleichen Jahr brannte die Werft bei einem Luftangriff bis auf die Grundmauern nieder und mit ihr alle Konstruktionszeichnungen von fast 40 Jahren. Dies war ein harter Schlag für den Bootsbauer. Viel schlimmer noch: im gleichen Jahr fällt auch sein Sohn Rudolf Gärsch, begnadeter Konstrukteur und Bootsbauingenieur. Franz Gärsch lässt sich aber nicht entmutigen und bereits kurze Zeit später baute er sein Geschäft an gleicher Stelle wieder auf. Da der Firmengründer seine Werft nicht für eine Produktionsgenossenschaft hergeben will, verkaufte der bereits betagte Franz Gärsch seinen Betrieb im Jahre 1962 an G. Schreiber, VEB Yachtwerft Berlin, Müggelseedamm 70-72. Der Verkauf mag auch daran gelegen haben, dass sein Enkel Wolfgang Gärsch, ebenfalls gelernter Bootsbauingenieur, nur 1960 und 1961 im Betrieb tätig war. Er ging noch im gleichen Jahr von Friedrichshagen in den Westen und nahm dort ein Studium der Architektur auf. Bis 1992 ist die Werft geführt. Danach gibt es sie nicht mehr."

Günther Montag, im Februar 2010



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