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Wissenschaft – alles Wissenschaft !

Mit diesem Rainald-Goetz-Zitat zu beginnen, heißt, nichts zu übertreiben und fast alles vorweg zu nehmen. Segeln einmal nicht als emotionales Erleben zu betrachten, sondern sich Gedanken über die physikalischen Grundlagen zu machen, war Antrieb und Absicht des österreichischen Seglers und Physikers (oder eher umgekehrt?) Prof. Wolfgang Püschl, ein Buch zu schreiben, das die physikalischen, d.h. strömungstechnischen wie mechanischen Grundlagen unseres Tuns beleuchtet.

Nun ist Püschl ja nicht der erste, der sich rein wissenschaftlich mit diesem Thema befasst, nach Jahrtausenden, die Teile der Menschheit schon auf dem Wasser verbracht haben, soll das nicht verwundern. Er betrachtet das Thema reizvollerweise aus seiner Perspektive als Segler eines Klassikers: Er segelt mit seiner 20qm- Rennjolle erfolgreich auf österreichischen Seen, und dementsprechend oft und gern verwendet er diese Jolle mit ihren typischen und aerodynamischen Eigenarten als Beispiel zur Verdeutlichung der Thesen. Das macht das Buch nicht zuletzt gerade für Leser aus dem Freundeskreis Klassischer Yachten interessant – zumal man lernen kann, wie weit das Wissen um aerodynamische Zusammenhänge schon vor 80 Jahren gediehen war.

Aber man muss zugeben, dass die rein physikalischen und – Oh Gott! – mathematischen Möglichkeiten der Beschreibung der komplexen Zusammenhänge zwischen sich bewegenden Luftmolekülen und daraufhin bewegten Schiffen noch nicht so alt sind, wie sich Schiffe oder gar Yachten zweckdienlich auf dem Wasser steuern lassen. Wer also mehr erfahren möchte über die wahren Zusammenhänge zwischen Verklicker und Bugwelle, der kann sich mit dem Buch „Physik des Segelns“ auf den steinigen Weg des Verstehens machen. Steinig ist er tatsächlich, denn es handelt sich eben um eine zwar lesenswert geschriebene, aber keineswegs immer leicht nachzuvollziehende Angelegenheit, die den Leser manchmal so sehr fordert, dass er sich eher bei 8 Bft auf den gefürchteten Stollergrund wünscht, als das Gelesene auf Anhieb zu erfassen. Wer in der Schule schon nicht gern hatte, dass der Mathelehrer zu Zirkel und Lineal griff oder Formeln jenseits des Pythagoras auf die Tafel kreidete, sollte sich ernsthaft überlegen, ob er sich auf diesem Niveau mit diesen Dingen beschäftigen möchte. Dass es durchaus sinnvoll sein kann, die physikalischen Hintergründe zu ergründen, wird einem klar, wenn man bedenkt, dass Segeln im Grunde erst ein- mal reine Physik ist. Druck, Strömung, Kraft, Moment, Hebel – ach, Dutzende von viel „schlimmeren“ Begriffen wie aus dem Wikipedia verströmt der Text, noch dazu gespickt mit einer kaum geringeren Anzahl von teils sehr komplex anmutenden Formeln und Gleichungen mit meist ziemlich vielen Mitspielern. Was die Beschäftigung damit durchaus reiz- und sinnvoll macht, ist die Tatsache, dass nichts, was wir auf dem Wasser tun, von diesen Dingen unberührt ist – wir kommen schlicht nicht einmal aus der Box. Noch viel weniger kämen wir dahin, wo wir beim Regattasegeln im Grunde alle streben: Nach vorn, auf’s Treppchen. Und insofern ist es dann für den einen oder anderen eine sinnvolle Beschäftigung, sich mit den Kräften der Natur einmal rein theoretisch auseinander zu setzen. Wer also dort vorn mitspielen will, sollte mal einen Blick in dieses Buch riskieren!
Auch wenn Phönizier und Wikinger es auch ohne diesen geistigen Überbau ganz gut hinbekommen haben.

Jens Burmester

"Physik des Segelns" ist erhältlich im Shop auf www.fky.org

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Wolgang Püschl



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