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Restaurierungsseminar 2009 in Strande

Aufbau eines Holzbootes

von Werner Frei

Etwas skeptisch war ich ja schon, ob sich die weite Reise in den hohen Norden Deutschlands lohnen würde. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, hatte ich die Suchmaschine mit „Lukenschlinge“ gefüttert, was mich in der Folge zu den Internetseiten des FKY führte. Und eben bezüglich dieser Schlingen und deren fachmännisch korrekter Verbindung mit den Decksbalken war ich etwas unsicher bei meinem Restaurierungsprojekt, eines Lacustre Baujahr 1947. Was jetzt gerade eine maßlose Untertreibung war, ich war nämlich auch unsicher bezüglich der Balkweger, der Decksbalken, der Ausführung des Decks, der Schiebeluke und, und, und - weshalb die Ankündigung des Restaurierungsseminars 2009 des FKY sofort meine Reisepläne konkretisierte. Der notwendig gewordene Ersatz des Decks hatte mich bereits den Gedanken eines Firmenbesuchs in der Nähe Hamburgs tragen lassen und so waren das dann ja schon zwei Gründe. Trotz kurzfristiger Anmeldung gab es noch Platz und so saß ich wenige Tage später im Flugzeug ab Zürich. Die Reise per Bahn hätte mich zwei meiner spärlichen Urlaubstage gekostet und ich hatte da so ein Gefühl, dass ich diese noch anderweitig besser werde einsetzen können.

Damit arbeiten Profis

Und so sitze ich zusammen mit 18 weiteren Holzboot Enthusiastinnen und Enthusiasten am Samstagmorgen des 21. Februars 2009 in der Werft des KYC in Strande an der Kieler Förde, gespannt auf die Ausführungen der beiden Bootsbaumeister Uwe Baykowski und Georg Wawerla. Bereits die Vorstellungsrunde macht deutlich, dass das Thema hier auch mit viel Humor angegangen wird. Und dass uns wohl die Zeit in den zwei Tagen öfters davonrennen wird, zeigen doch gerade die beiden Meister viel Neugier bezüglich der Herkunft, Bauwerft, Ausführung, Alter und Geschichte usw. der Boote der Teilnehmer und derer Projekte. Es ist offensichtlich, hier sind zwei mit viel Herzblut und Leidenschaft bei ihrer Sache!

Schäftung geschafft

Kompetent und dennoch kurzweilig beginnen sie mit den Grundlagen des Bootsbaus: Längselemente: Kiel, Steven, Planken, Stringer, Weger; Querverbände: Spanten, Balken, Wrangen, ihre Funktion und mögliche Gründe fürs Versagen, übers Übertragen der Rumpfform für den Nachbau eines Spants, lamelliert oder gedämpft. Einfaches, aber gutes Mittagessen im Clubhaus des KYC, natürlich mit viel Fachsimpeln. Weiter mit praktischer Handarbeit: Bau eines laminierten Spants, Spunden und Pfropfen; Anstriche für innen und außen, unter und über Wasser. Zum Schluss des Tages dann noch praktische Tipps am Objekt zur Inspektion und Begutachtung von Holzjachten und ihre kritischen Stellen sowie eine Tour durch die in der Halle aufgepallten Juwelen des KYC. Spätestens jetzt wird sich der eine oder andere die Frage stellen, weshalb er so ein Seminar nicht vor seiner letzten Anschaffung besucht hat.

Gekonntes Spunden

Zum Nachtessen trifft man sich wieder im gediegenen Strandhotel vor dem lodernden Kaminfeuer und der Pegel der Stimmen schwillt sogleich an. Jetzt ist die Zeit, die eigenen Projekte zu diskutieren, welche unterschiedlicher nicht sein könnten, Fotos werden umgereicht, Laptops aufgeklappt, bis in die frühen Morgenstunden wird erläutert und erklärt, tausende Fragen und ebenso viele Antworten, Baupläne studiert und ganze Konstruktionen auf Servietten skizziert. Das Personal zeigt Verständnis und serviert noch eine Runde, obwohl es doch schon vor einer Stunde hieß: Es ist Schluss!

Restaurierung hautnah

Der Sonntag beginnt dann etwas gemächlich! Das am Vortag Gebaute wird begutachtet, während der Gasbrenner Wasser für die Box zum Spant Dämpfen aufheizt. Wir erfahren, dass mit dem Laminieren erst der einfachere Teil zum gebauten Spant geschafft ist, führen uns doch Uwe und Georg noch in die Geheimnisse von Schmiege und Schmiegenbrett ein. Und in die von Werkzeugen zur Holzbearbeitung und deren richtiger Handhabung und Schliff; Nieten, Ausleisten und so weiter. Keine Sekunde kommt Langeweile auf, stets ist ein passender Scherz zur Stelle.

Uwe und Georg

Natürlich werden fast alle Aspekte der Jachtrestaurierung auch in der einschlägigen Literatur ausführlich beschrieben, aber selbst Hand anlegen unter kundiger Führung vermittelt doch wesentlich höheres Zutrauen.

Zweifellos wird sich bei mir trotz des umfangreichen Gewinns an Wissen die eine oder andere Verlegenheit einstellen bei der Ausführung; die anfängliche Skepsis erwies sich aber als absolut unbegründet, die Reise war jeden Cent wert.

Werner Frei



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