Freundeskreis Klassische Yachten

Die Anstricharbeiten 

Wie man's in den 50er Jahren machte - zusammengetragen aus Artikeln der "Yacht"

Alte Anstriche entfernen

Zunächst: Wann muss die Farbe restlos bis auf das rohe Holz entfernt und eine Neubehandlung von Grund auf vorgenommen werden? - Es ist keinesfalls so, dass der Anstrich grundsätzlich alle vier bis fünf lahre entfernt werden muss. Die Farbe muss aber runter, wenn vor allem die Außenhaut im Lackfilm schon eine zu starke Schicht bekommen hat, was eigentlich normalerweise nie vorkommen darf, da dann bei den jährlichen Überholungsarbeiten zu schwach abgeschliffen wurde. Weiter wird es notwendig, wenn der alte Lack stark und tief gerissen ist, die Risse bis aufs Holz gehen und man auch durch Schleifen keine glatte Fläche mehr bekommt, wenn der Lack Blasen bekommt. Ein Zeichen dafür, dass die Feuchtigkeit aus dem Holz nicht mehr durch die zu dicke Farbe oder Lackschicht dringen kann.

Es gibt fünf Arten, um alte Anstriche zu entfernen;
1. Das Abschrapen mit dem Dreikantschraper, mit den verschiedenen Arten von Ziehklingen oder mit Glasscherben.
2. Das Abbrennen des Anstriches mit der Lötlampe.
3. Das Entfernen des Anstriches mit Laugen.
4. Das Abbeizen mit Spezial-Abbeizmitteln.
5. Das Abschleifen mit einer Flächenschleifmaschine.

Das Abschrapen der Anstriche ist heute veraltet und auch keineswegs mehr zu empfehlen. Es gehört große Übung dazu, so zu arbeiten, dass das Holz beim Abschrapen nicht beschädigt wird und keine Schrammen entstehen. An den Stellen, wo das Holz weich geworden ist, nehmen die Schrapwerkzeuge immer mehr Holz mit als an den Stellen, wo das Holz hart ist. Hinzu kommt, dass die abgeschrapten Flächen nach dem Abziehen, das selbst schon langwierig ist, sehr sorgfältig mit Sandpapier abgeschliffen werden müssen, damit sie wieder vollständig glatt werden (trotzdem erreicht der Laie das meist nicht), was dieses alte Verfahren noch zeitraubender macht. Es gibt noch ein paar Fälle, wo man auch heute noch die Farbe abziehen wird, und zwar immer dann, wenn nicht nur der gesamte Anstrich, sondern auch etwas von dem Holz selbst entfernt werden soll. So genügt es bei alten vollen Masten und Spieren nicht, die Farbe selbst zu entfernen, damit sie wieder hell und ansehnlich werden, man muss so lange schrapen, bis die oberste Schicht des Holzes entfernt ist. In solchem Falle wird man sich nicht mehr des alten Dreikantschrapers oder der alten Ziehklingen bedienen, sondern möglichst eines modernen Schabers, der einen ordentlichen, gut in der Hand liegenden Griff und auswechselbare Klingen hat. Die Abbildung zeigt einen solchen modernen Schaber, bei dem die auswechselbare stählerne Hakenziehklinge in einen Blechfalz eingeschoben wird. Man kann die Klinge bis zu hundertmal nachschärfen. Um aus Fugen und Nähten alte Anstriche oder auch Kitt zu entfernen, wird vielfach ein Schraper verwandt, der aus einer alten Flachfeile hergestellt wurde. Die Heftspitze wurde umgebogen und zu einer Meißelspitze ausgefeilt.



Moderner Schaber zum Abziehen der Farbe mit auswechselbaren Klingen. Durch verschiedene Haltung des Schabers erhält man einen schweren (l) oder mittleren (2) Schnitt. In Stellung 3 wird geglättet. Das Werkzeug lässt sich auch zum Glätten ungestrichenen Holzes verwenden.

Das Abbrennen mit der Lötlampe war früher statt des schwierigeren Abziehens mit der Ziehklinge allgemein üblich. Es käme höchstens noch für sehr sachkundige Bootseigner und nur für Metallboote in Frage. Aber die Gründe, die gegen dieses Verfahren sprechen, sind so schwerwiegend, dass das Abbrennen mit Recht verpönt ist. Einmal gefährdet die Verwendung der Lötlampe den Bootsschuppen und das dort untergebrachte Bootsmaterial, zumal da die durch die Flamme erweichten und mit dem Spachtel entfernten, stark öl- und harzhaltigen Anstrichteile außerordentlich leicht brennen. Zum anderen können in geschlossenen Räumen durch die beim Abbrennen entstehenden Dämpfe Vergiftungserscheinungen bei den Arbeitenden auftreten. Man dürfte mit der Lötlampe dem alten Anstrich also nur unter freiem Himmel zuleibe rücken. Darüber hinaus können kleine Unaufmerksamkeiten beim Holzboot viel oder alles verderben, dadurch, dass entweder zu scharf gebrannt und das Holz bis zum Ankohlen verfärbt wird oder dadurch, dass zu schwach gebrannt und der Lack dann mehr oder weniger schartig mit dem Spachtel oder der Ziehklinge entfernt wird. Außerdem öffnen sich bei Holzbooten durch das Abbrennen die Poren des Holzes, das wieder flüssig gewordene Bindemittel der Farbe dringt tief in die Beplankung ein. Diese Bindemittel besitzen aber nicht mehr ihre ursprüngliche Trockenkraft und sind durch den mehrfachen Oxydationsprozeß schwer trocknend geworden. Die später aufgebrachten Anstriche haben daher leicht eine mangelhafte Härte und zeigen auch ein dauerndes Kleben oder Reißen. Bei eisernen Booten, die meist eine sehr geringe Wandstärke von nur wenigen Millimetern besitzen, wird bei Verwendung der Lötlampe nicht nur die äußere Farbschicht zerstört, sondern leicht auch der innere Anstrich angegriffen, der die Bleche und Winkeleisen vor dem Verrosten schützen soll. Die darüber fest eingebaute Wegerung lässt häufig die Erneuerung des inneren Anstriches nicht zu, und das Schiff rostet dann von innen nach außen. Es wird ja leider beim Bau hölzerner ebenso wie bei dem eiserner Boote häufig vergessen, dass sie nachher auch von innen konserviert werden müssen, und dass das beim Anbringen von Wegerungen, Verkleidungen usw. zu berücksichtigen ist. Gerade bei eisernen Fahrzeugen mit der unvermeidlichen Schweißwasserbildung an der Innenseite der Beplattung muss besonders darauf Rücksicht genommen werden. Nachteilig ist auch, dass zum Abbrennen zwei Mann benötigt werden, einer, der die Lötlampe bewegt, und einer, der den erweichten Anstrich mit dem Spachtel abschiebt. Es wäre nicht das erste Mal, dass bei einem eisernen Boot die Inneneinrichtung verbrennt, während außen die Farbe mit der Lötlampe entfernt wird. Vorsichtl Vorsicht! Vorsicht!

Die vielen Nachteile des Abbrennens führten zur Entwicklung von A b b e i z m i t t e l n. Es gibt alkalische und organische Abbeizmittel. Die alkalischen Abbeizmittel entfernen durch Verseifen, sie lösen also nur die Farben, die sich verseifen lassen (Ölfarben, Öllacke). Die organischen Abbeizmittel lösen durch ihre Lösemittel-Bestandteile. Sie lösen neben Ölfarben und Öllacken auch Nitro-, Kunstharz-, Zweikomponenten-Lacke und sonstige Spritzlacke.

Der Vorteil der alkalischen Abbeizmittel ist, dass sie billig sind. Ihr Nachteil besteht darin, dass sie nur Ölfarben und Öllacke entfernen, dass die abgelauchten Flächen gut (mit sehr viel möglichst heißem Wasser) gewaschen werden müssen, dass Edelhölzer dunkeln und deshalb anschließend sofort gebleicht werden müssen. Gerade das im Bootsbau viel verwandte Eichenholz wird durch alkalische Lösungsmittel angegriffen und verfärbt. Da die Instandsetzungsarbeiten an Booten und meistens bei kühler Witterung vor sich gehen, muss man lange Zeit verstreichen lassen, ehe der neue Anstrich aufgebracht werden kann.

Die organischen Farben-Entferner sind zwar teuerer, haben aber nicht die Nachteile der alkalischen Abbeizmittel. Sie verwenden Lösungen, die die alten Anstriche erweichen und durchdringen, so dass sie mechanisch entfernt werden können. Die verwendeten Lösungsmittel sind meist sehr flüchtig. Durch einen Zusatz von Wachs und Paraffin hat man aber erreicht, dass sie trotzdem eine entsprechende Tiefenwirkung auf den Anstrich entwickeln. So wurden Mittel entwickelt, die aus in Benzol gelöstem Paraffin bestehen, dem dann Azeton zugesetzt wird. Diese Mittel sind sehr wirksam, und es gibt sie auch unbrennbar bzw. schwer entflammbar. Man kann gegen solche wachs- und paraffinhaltigen Mittel geltend machen, dass Wachsteilchen davon zurückbleiben und dadurch der neue Anstrich auf dem Untergrund schlecht haftet und schlecht trocknet. Diese Wachsteilchen müssen daher durch Abwaschen mit Benzin oder Benzol entfernt werden, wodurch allerdings eine erhöhte Feuersgefahr entsteht. Trotzdem werden wachs- und paraffinhaltige Abbeizmittel zur Entfernung von Bootsanstrichen noch viel verwandt.

Die modernsten Spezial-Farbenentfemer erreichen die Tiefenwirkung ohne Zusatz von Wachs und Paraffin. Im allgemeinen werden dafür Zellulosereste und Farben-ähnliche Verbindungen benutzt. Sie bestehen meist aus chlorierten Wasserstoffen. Diese Mittel besitzen eine sehr große Löse- und Tiefenwirkung, sind unbrennbar und vermeiden die Nachteile der vorher erwähnten Mittel. Man halte sich genau an die Verarbeitungsvorschriften, die meist auf dem Etikett aufgedruckt sind.

Bei Verwendung der Spezial-Abbeizmittel kann man aus Bequemlichkeit oder, weil es schneller gehen soll, immer wieder gedankenlose Fehler machen, die dann den Abbeizmitteln zur Last gelegt werden. Je nachdem, ob das Mittel einen hoch-, mittel- oder niedrigsiedenden Löser enthält und je nach Alter und Dicke der Farbschichten dauert das Durchweichen des Anstriches bis zum Grund längere oder kürzere Zeit, etwa eine viertel bis eine halbe Stunde. Streicht man ein Abbeizmittel nicht zu dünn, aber auch nicht zu fett auf und ohne dass es ablaufen kann, dann wird nach dieser Zeit der Lack krisselig - er kocht. Es hat nun keinen Zweck, dieses Durchweichen des Lackfilms etwa durch dauerndes Darüberstreichen mit dem Pinsel beschleunigen zu wollen, wie man es oft sieht. Damit erreicht man nur, dass die sich an der Oberfläche bildende Haut, die das allzu schnelle Verdunsten verhindern soll, zerrissen wird und die erwartete Tiefenwirkung nicht eintritt. Schon mit höchstens zweimaligem Auftragen der Beize sind auch die dicksten Lackschichten in kürzester Zeit bis zum Grund aufzuweichen. Es empfiehlt sich also, erst einen halben oder einen ganzen Quadratmeter der abzubeizenden Fläche mit dem Mittel einzustreichen. In der Zwischenzeit wird der Anfang genügend durchgeweicht sein, so dass man den Lack mit dem Spachtel abschieben kann. Bei anderen Mitteln wird man noch eine längere Zeit zwischen Auftrag der Beize und Abschieben der Farbe einlegen können und müssen. Das Abbeizmittel kann hier ruhig etwas aufgetrocknet sein. Die Gefahr, dass die aufgeweichten Schichten nach Verdunsten des Lösungsmittels wieder erhärten, besteht nicht, weil der Farbfilm in seiner Struktur von diesen Mitteln vollkommen zerstört wird. Er geht aber, wenn das Abbeizmittel eingetrocknet ist, ziemlich trocken ab, und man hat beim Arbeiten mit dem Abbeizmittel weniger Schmiererei.

Da das Holz immerhin mit aufgeweicht wird, sollten sich ungeübte Bootseigner sehr davor hüten, den gelösten Lackfilm mit der Ziehklinge abzuziehen. Sie laufen sonst Gefahr, das Holz mit abzunehmen, und zwar meistens von den weicheren Stellen. Als Folge ergibt sich eine unebene Fläche, die mit Schleifpapier nicht mehr vollständig eben eingeschliffen werden kann.

Ist der Lackfilm restlos entfernt, dann lässt man die rohe Heizfläche gut austrocknen. Ein Nachwaschen mit Wasser ist schädlich, mit Terpentinöl oder Terpentinöl-Ersatz bei den neuesten Abbeizmitteln nicht mehr erforderlich. Das ausgetrocknete Holz wird dann trocken mit Schleifpapier geschliffen, damit die beim Anweichen hochgezogenen Holzfasern abgeschliffen werden. Es folgt dann die Vorbehandlung und Lackierung wie bei einem neuen Boot. Beim Verwenden von Farbenentferner muss darauf geachtet werden, dass Ölzeug, Segelschuhe, Plastik-Bezüge, Kunststoffplatten nicht gleich mit aufgelöst und zerstört werden.

Immer mehr werden zum Entfernen alter Anstriche auch Schleifmaschinen verwandt. Alles Wichtige über Schleifmaschinen, darüber, was beim Abschleifen von Booten zu beachten ist und über das Entfernen alter Anstriche von Metallbooten durch Sandstrahlen, enthält das Kapitel „Maschinen helfen Zeit und Arbeit sparen".


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