PFLEGE & RESTAURIERUNG

Restaurierungsbericht Hansa Jolle Penelope

Im Januar 2009

Im Segelsommer 1997 habe ich ein schönes kleines Boot mit einem Kreuz im Segel gesehen. So ein Boot sollte es sein. Im Januar 1998 kaufte ich mein erstes eigenes Schiff. Eine Hansa Jolle mit der Baunummer 3979 und der Segelnummer 2. Ich war noch Student und das Boot war das günstigste auf dem Markt (damals 2000,00 DM).


1998 in einer Scheune an der Weser.


Die schönen Linien sind noch zu erkennen.

Ich wusste nichts über diese Jollen, nichts über die Werft, in der sie gefertigt worden. Ich konnte den Zustand des Bootes nicht einschätzen und hatte überhaupt keine Ahnung vom Bootsbau. Ich sah nur, dass man nicht gleich damit lossegeln konnte. Ein bisschen Arbeit musste ich wohl reinstecken.
Also fing ich erst einmal an, den Lack abzubrennen. Was zum Vorschein kam, sah nicht besonders gut aus.


Der Steven sieht irgendwie komisch aus.


Auch am Spiegel verrottetes Holz.

Wo fange ich bloß an? Das Jahr 1999 ging dahin: mit Bücher lesen, Kontakt zur Klassenvereinigung aufnehmen, mit Voreignern und anderen Eignern von Hansa Jollen ins Gespräch kommen.

Bald wurde mir klar:

1. Dass ich ein ganz besonderes Schiff besitze – die wohl älteste, bekannteste Hansa Jolle, die zu dem noch fast komplett ist.

2. Dass ich die Nummer 2, eine der beiden „Prototypen“ die im Frühjahr 1948 an den NRV geliefert wurden, erhalten wollte.

3. Dass ich sie so originalgetreu wie möglich wieder zum Segeln bringen möchte.


Auf der Elbe Ende der 50ziger


und Mitte der 80ziger.

Im Jahr 2000 habe ich zuerst das Restaurierungsseminar des FKY in Strande bei Uwe gebucht. Hier habe ich viel über die Beurteilung einer Bootssubstanz gelernt. Im Anschluss habe ich mich gleich an die Arbeit gemacht und den Zustand von Penelope - so lautet ihr erster Name - aufgenommen. An Uwe schrieb ich danach folgenden Brief mit der Bitte, mir bei der Einschätzung zu helfen.


Hallo Uwe Baykowski,

was hast du nur mit meinem Eigner gemacht?! Als er mich vor zwei Wochen mal wieder besuchte, schlich er mit hängendem Kopf um mich herum. Er kroch in die letzten Ecken und klopfte und bohrte überall herum. Das hat sich richtig professionell angefühlt. Aber was er fand, machte ihn nicht viel glücklicher. Das er sich auch unbedingt meine Problemzonen so genau anschauen musste. Selbst meinen Ballastkiel, das Schwert und mein gebrochenes Totholz baute er einfach ab. Und zum Schluss zog er mir meinen Schwertkasten, wie man das bei euch mit einem hohlen Zahn tut.
Ich gebe ja zu, dass ich hier und da ein bisschen Trockenfäule habe, dass die Enden meiner Planken alle weich sind, dass keine Schraube mehr in der Sponung meines Vorstevens halten wird, dass der Spiegelrahmen keine Seereise mehr mitmacht und dass der Schwertschlitz meines Kiels bald so breit ist, sodass er in die Kielsponung übergeht. Trotz alledem, mein Eigner soll sich nicht so anstellen. Die Bodenwrangen und die Spanten sind doch leicht auszuwechseln und am Deck ist auch nicht so viel zu tun.
Ich habe Gerald mal gebeten aufzumalen, wo bei mir der Wurm drin sitzt.
Bitte hilf uns, es geht um Leben oder Tot. Du kannst ja eine 0190ziger Telefonnummer einrichten als Yachtbauers-Sorgentelefon. Ich würde sogar meinen Namen als Dank umändern, von Penelope in Bayboot.

Als Anlage liegen Zeichnungen und Fotos von mir dabei.

Deine Hansa Jolle 2 Penelope




Kiel und Wrangen durch Rost gesprengt.


Der hohle Zahn.

Das Ergebnis war, dass diese Jolle am ehesten in die Kategorie „hoffnungsloser Fall“ gehört. NEIN, das wollte ich nicht wahrhaben. Da muss doch noch was möglich sein.
Erst das Rückrad, dann die Querverbände, Planken ausbessern und das Deck wieder drauf – fertig. Alles möglichst nah am Original und am besten mit den Methoden der damaligen Zeit.

Drei Abweichungen sollte es geben:

1. Alle verzinkten Schrauben, Nägel und Nieten aus Eisen werden durch Bronze oder Kupfer ersetzt.


Links: alte Eisenschraube, Mitte: neue Bronzeschraube, Rechts: eine der wenigen alten Bronzeschrauben.

2. Die verzinkten Eisenbolzen im Kiel sollten durch VA Nachbauten ersetzt werden.


Eiche und Eisen vertragen sich nicht.

3. Die vielen sich ergebenden Plankenstöße sollten jetzt nicht mehr mit Laschen, sondern mit Schäftungen verbunden werden.


Geklebt wurde mit PU-Leim.

Eine Schwierigkeit ergab sich noch: An meinem Wohnort Hannover habe ich keine geeignete Halle zum Bauen gefunden. Also mussten meine Eltern auf ihre Doppelgarage verzichten. Ungünstig war nur, dass diese 140 km entfernt ist. Das hieß, dass ich nur am Wochenende arbeiten konnte. Da ich vollberufstätig bin, eine Frau und zwei Kinder habe, musste ein Wochenende im Monat reichen.


Im Sommer 2001 ging es los.
Kiel, Steven und Spiegel wurden ausgebaut, als Muster verwendet und wieder eingesetzt. Mit allen Wrangen wurde dasselbe durchgeführt.


Erster Kielgang wird gelöst.


Der letzte Verband hat sich mit dem Steven verabschiedet.


Sponung nach Vorlage ausstemmen.


Das Rückrad ist wieder drin.


Immer schön anpassen.

Nebenbei wurden alle Beschläge aufgearbeitet oder nachgebaut.


Verzinkte Eisenbeschläge.


Verchromte Bronzebeschläge.

Das war die erste Bauetappe, die bis 2003 gedauert hat. Nun sollte es mit den Spanten weitergehen. Das Schlimme war nur, dass sich jeglicher Verband aus dem Schiff verabschiedet hatte. Das Boot wackelte wie ein Lämmerschwanz und vom Kielsprung war nichts mehr zu sehen. So kann es nicht weiter gehen, aus diesem Bretterhaufen kann so keine Hansa Jolle mehr werden. Ist Penelope doch ein Fall für die Säge? Verzweiflung machte sich bei mir breit.
Raus gekommen ist ein Jahr Baupause und ein neuer Plan, wie es weitergehen könnte. Erst einmal habe ich die alten Baupläne von 1947 von A&R besorgt. Eine Helling gebaut, den Stapelplan ausgerechnet und dann dem Kiel der Nummer 2 die ursprüngliche Krümmung wieder verpasst.


Pläne lesen muss sein.

Dann überlegte ich, dass die Wrangen ja nach Muster gebaut wurden und in ihrem Bereich die Rumpfform stimmen müsste. Also können die ersten drei Plankengänge schon mal angeschraubt werden. Somit hätten die Spanten beim Einbiegen im Kielbereich ein Widerlager. So müsste im oberen Rumpfbereich die Form nur noch durch Gurte gehalten werden. Prima, fehlt also nur noch das Eichenholz.
Ich wollte unbedingt sechs Meter lange astreine Eicheplanken haben, um im Unterwasserbereich durchgehend beplanken zu können. Auf dieses Holz habe ich ein dreiviertel Jahr gewartet.
Als Zeitvertreib habe ich die Rundhölzer und die Inneneinrichtung aufgearbeitet.


Spunde in der Querducht


und in einer Schranktür.


2005 ging es nach obigem Plan weiter. Bis auf sieben Spanten mussten alle neu eingebogen werden. Wieder so eine Arbeit, die ich noch nie zuvor gemacht hatte. Glücklicherweise war mein Vater da - inzwischen Rentner - und ging mir immer zur Hand, wenn dies nötig war.


Das lang erwartete Holz, der Helling mit den Stapelklötzen im Hintergrund.


Die ersten Planken sitzen.


Meine Dampfkiste.


Diese Spanten müssen eingebogen werden, die dunklen sind gerade gewässert worden.


Heiße weiche Spanten raus aus der Kiste,


schnell einbiegen.


Und immer wieder Bruch.


Unten mit Zwingen fixiert und oben mit Spax an die alten Planken herangezogen.


Übergänge von alten zu neuen Planken.

Beim Aufplanken war es mir wichtig, soviel altes Holz wie möglich zu erhalten. Im Überwasserbereich war dies auch machbar. „Die Nähte werden nach dem Verfahren von A&R auf das peinlichste gedichtet.“ Ein Zitat der Werft gefunden in der Beschreibung der Bauausführung der Hansa Jollen. Ich wollte mein Bestes versuchen. Das hieß Nähte aushobeln, Dichtungsmasse Bleiweiß auftragen, Baumwollfaden einlegen und zusammenfügen. Immer in der noch unbestätigten Hoffnung, dass der Rumpf dicht zieht. Eiche soll ja um 5 % und das Bleicarbonat um 2 % quellen. Bis Ende 2007 ist der Rumpf hoch geplankt und wie bei Jollen üblich innen lackiert.


Der kleine Unterschied.


Planke grob aussägen.


Vier Maschinen – vier Arbeitsgänge.


Baumwollfaden einlegen.


Die Nahtdichtung.


Lackieren mit dem Rundpinsel.


Der frisch lackierte Bug.

2008 wurde das Deck aufgearbeitet, wobei fast alle Decksbalken und auch eine große Zahl der Decksplanken gerettet werden konnten. Das Deck hat wieder eine Leinenbespannung bekommen und wurde mit Lack wasserdicht versiegelt. Die Aufbautenseiten mussten dagegen komplett ersetzt werden. Auch das Kajütdach, welches schon einmal mit Sperrholz - in den 80zigern - erneuert wurde, bekam wieder sein Eichenleistendach zurück.


Das Deck wurde im Stück vom Boot getrennt.


Der Balkweger ist neu vernietet.


Alle Decksbalken stehen wieder gut in Farbe.


Der Decksunterbau sitzt.


Die halben Balken und die Stringer sind neu.


Das Deck ist geplankt, dunkel ist alt – hell ist neu.


Geölt und mit Papier als Sperrschicht belegt.


Ich habe Stoff in ganzer Breite bekommen.


Der Stoff ist gespannt.


Die Aufbauseiten liegen zur weiteren Bearbeitung auf der Werkbank.


Der Aufbau hat seinen Platz gefunden.


Auch diese Balken wurden vorher behandelt.


Die 8 mm starken Leisten werden aufgenagelt.


Nagel für Nagel kommt Stabilität ins Dach.

Das Totholz wurde neu gebaut und mit dem Ballastkiel zusammen unter das Schiff gebolzt. Im Hochsommer war das für mich eine sehr schweißtreibende Arbeit.


Totholz – Original und Fälschung.


Na, dann hobel mal schön.


Das Totholz hängt.

Schön vorsichtig und mit Gefühl.


Ballast, Totholz sind mit dem Kiel verbolzt.

Die Inneneinbauten sind nun auch „schon“ eingepasst. Die ursprünglichen Bodenbretter sind nicht mehr vorhanden und werden zurzeit nachgebaut.


Achterlast und Querducht.


Schränkchen mittschiffs.

Was ist 2009 noch zu tun? Ich muss diverse Abdeckleisten anbringen, Beschläge montieren und als krönenden Abschluss die Außenhaut glätten und lackieren. Penelope bekommt von mir den ältesten bekannten Farbton aus dem Ende der 50ziger Jahre – ein dunkles Blau.

Rückblickend kann ich nur sagen: „Gut, dass ich das alles vorher nicht gewusst habe!“

Gerald Meyer


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