PFLEGE & RESTAURIERUNG

Die Restaurierung der Pinta - Teil 1

Fred Bouter, Niederländer, master and owner der "Pinta", hat seinen Restaurierungsbericht selbst ins Deutsche übersetzt. Den Text hat die Redaktion geringfügig geglättet, der Charme seiner Darstellung bleibt - so hoffen wir - erhalten.


Zum Anfang habe ich in ein paar Wörterbüchern gesucht, was die zu sagen haben über die Bedeutung des Wortes „Wiederherstellung" oder „Restaurierung“. 

- Wiederherstellung nach einem früheren Regime. 
- Ein Rückbringen in eine frühere Situation oder Zustand 
- Wiederherstellung eines ungestörten oder verbesserten Zustands
- Eine Rekonstruktion der ursprünglichen Form 

Im Internet fand ich: 
„Zukunft für Vergangenheit“ 


50qm Seefahrtkreuzer wie er sein muss

Alle diese Beschreibungen beziehen sich auf einen gewünschten Endzustand und für die Pinta gilt, dass während ihres Aufenthalts in den Niederlanden immer eine von diesen genannten Ergebnissen verfolgt wurde. Alle Restaurierungsaktionen wurden auf das Behalten dieses Segelmonuments konzentriert. 
Zwischen 1987 und 2003 ist allerdings gutes Geld nach schlechtem Geld geworfen worden und Pinta ist inkompetent von den Besitzern, Freunden und (halben) Fachleuten bearbeitet worden. 
Zwischen 2003 und 2007 ist die meiste Arbeit mit guter Fachmannschaft und mit kaum zu verbesserndem Resultat von Benno Rexwinkel und seinen Männern Sijbrand, Chris, Jasper und Marijn gemacht worden.
Das Ergebnis ist in Holland und im Ausland bekannt. 

Neben den ästhetischen und technischen Aspekten von Segeln hat auch die Historie, die mit der Pinta verbunden ist, zur Entscheidung beigetragen, Pinta zu kaufen und zu behalten. In einem Gespräch mit John Kapp während der Präsentation eines Buches über „Wind Falls“ in England wurde es uns deutlich, dass frühere Segler über unsere Schulter gucken, wenn wir an unseren Booten arbeiten oder damit segeln.
(The windfall Yachts, a Legacy of Goodwill, Michael Cudmore)


Die Baunummer hat alles gesehen, gehört und gefühlt

Pinta kam in unser Leben so wie auch einmal Brakkie, unvermeidlich. Brakkie war ein kleiner Hund, hat wahrscheinlich seine Besitzerin, eine alte Dame, überlebt und konnte nach der Beerdigung in sein Haus nicht mehr rein. An einem kalten Dezemberabend sah er in der warmen Luft in der Nähe des Hallenbads unsere Tochter Petra. Petra wollte schon immer einen Hund haben. Zufall, dass dieser kleine Kerl Petra nach dem Schwimmunterricht gefunden hat? Er war schon ins Auto gesprungen, bevor wir protestieren konnten. 
Die alte Dame ließ sich nicht mehr finden und einige Tage später, zu Weihnachten, wurde Brakkie ein Mitglied der Bouter-Familie und es wurde angefangen mit der Versorgung des kleines Tyrannen. Den Name Brakkie erbte er von einem nicht so gesunden Hund in Südafrika. Der neue Brakkie war sehr gesund mit nur einem Malheur, das Herz klapperte und pfiff. 
Der südafrikanische Brakkie hatte nicht lange gelebt. Das Herz des niederländischen Brakkie war nicht so marode wie zuerst vermutet. 
Der Pfiff kam, wie er durch eine Turbine statt einer schwachen Ventil-Maschine verursacht wurde. 
Wir haben es geschafft, ihn zu einem Seemann umzubauen, der mit Nachdruck seinen Knochen im Cockpit unseres bisherigen Bootes verteidigte.

Brakkie ist inzwischen schon lange hoch im Himmel mit seinen Kollegen wieder vereint und genießt ohne Skipper mit großen Stiefeln große Knochen. 
Das hatte auch die Pinta geschehen können.


Samurai ,Noordster‘ 

Das bisherige Boot war ein Kunststoffboot des Typs "Samurai", einfach und mit ausreichender Sitzgelegenheit, Kriechhöhe in der Kajüte und Hockhöhe auf der Toilette. Netter Segler. Nur etwas minimalistisch, nicht beliebt beim fraulichem Anteil der Familie. 
1987 kam mein damaliger Geschäftspartner Pieter zurück aus Deutschland mit einer großen Geschichte über eine große hölzerne Jacht aus Eiche und Mahagoni mit Messing und Kupfer und einer "Vergangenheit", Liegeplatz Wendtorf in der Nähe von Kiel.
Etwas für beide Damen. 
Sie sahen schon vor sich den Luxus, die Kojen im Stehen machen zu können und einen Staubsauger mit papierenem Sack. (Das war bis dahin eine Unmöglichkeit, weil dieser Samurai leicht inkontinent war). 


50 Quadrat Seefahrtkreuzer ‚Pinta II‘

Wendtorf liegt ganz weit entfernt von Gouda, das bedeutet, früh am Morgen abzureisen, um sehr spät am Abend wieder zurück zu sein. 
Die "Pinta II" sieht bildschön aus. Professional aufgebockt balanciert sie zwischen langen Brettern statt auf Holzblöcken, die Punktlasten auf die Struktur des Boots verursachen können.

Für den nächsten Besuch zum Abschließen des Kaufvertrags wurde ein Experte mitgebracht, der Reeuwijkische Bootsbauer Thom van Zijp. 
Seine Fachkenntnis hat uns großartig geholfen, auf skandalöse Weise den gefragten Kaufbetrag nach unten zu bringen. Viel später mussten wir realisieren, dass der Fragepreis skandalös hoch gewesen war.

Einige gebrochene Spanten und hier und dort eine nicht ganz gesunde Bodenwrange, einige kleine Reparaturen sollten für einige Jahren genügen, das war die Einschätzung. Die erste Priorität war auf jeden Fall das Ersetzen von mit Alkohol und Salz getränktem Totholz. Die Polsterung von Matten und Polyester des Ballastkiels hing wie die Wäsche an der Leine. Die Wasserdichtigkeit sollte nach erster Reparatur wieder in Ordnung sein. Wir wussten aber überhaupt noch nichts über die Wasserdichtheit. Da wir noch immer ernsthafte Pläne hatten, die Pinta II zu kaufen, wurde sie ins Wasser gelassen für einen Probefahrt. Es war schwer, die alte Albin 2 Zylinder Benzin Maschine ins Leben zu bringen. Jemand musste regelmäßig mit der Hand ein ganz kleines Ventil öffnen und wieder zumachen, sonst würde das Zeug nicht funktionieren. Sie sah aus wie eine alte nicht gesunde Dampfmaschine und produzierte regelmäßig heiße Dampfwolken aus Kühl- und Verbrennungskammer und dabei auch gefährliches Wasser. Warum, das wurde uns nicht klar während der Probefahrt. Wahrscheinlich würde das später noch ein extra Kostenaspekt werden. 


Pinta II Wendtorf Mai 1987 

Die Pinta II segelte wie kein andere. Ich hatte noch nicht gewusst, dass ein Yacht eine Seele hat. Die Seele einer Yacht heißt Bilanz. Bilanz, die entsteht zwischen Boot, Wind und Wasser, wenn sich eine Yacht gut durchs Wasser bewegt. In einem Windstoß hellt sie zuerst, dann erhebt sie sich und springt an. Also, Pinta II wird gekauft. 
Thom würde selbst mitfahren nach den Niederlanden. Das erhöhet mein Vertrauen in Thoms eigene Seetüchtigheitserwartung der Pinta II. 
Weil es sich in diesem Bericht hauptsächlich über Restaurierungsangelegenheiten handelt, werde ich nicht die Geschichte über die Heimkehr nach Holland beschreiben. Das steht schon in XXXXX. Angemerkt sei noch, dass noch vor der Abfahrt der Namen ein wenig geändert wird. Pinta II wurde umgetauft in "Pinta". 
Also :


PINTA

Juni 1987

Zusammenfassung gewiss auszuführender Restaurierungsmaßnahmen *

  • Totholz de-alkoholisieren, reparieren und ersetzen 
  • Matten wieder anheilen
  • Neue Matten rund um den Ballastkiel

und wahrscheinlich: 

  • Motor mehr oder weniger nachsehen
  • Elektro-Systeme herrichten 

* Wir nannten diese Aktivitäten kein Restaurierung, sondern „Sachen, die geschehen mussten“ - etwa so wie regelmäßig Innenwasserniveau kontrollieren vor und nach dem Lenzpumpen.


Juli 1987

Vor Beginn des Saison 1987 sind die folgenden Sachen angefasst:

  • Motor ersetzt durch eine wirkende Kopie, Garantie bis Den Oever nach Osten oder der Helsdeur nach Westen. Dieser Ersatz-Motor schaffte es, sein Leben zu verlängern bis 1991. Auf dem Weg zu den Kanalinsel in der Nähe von Calais ist er gestorben durch eine gebrochene Kurbelwelle.  
  • Elektro-Systeme angepasst, um die Nordsee sicher überqueren zu dürfen und zu können

Diese „Investitionen“ mussten schon unerwartet schnell gemacht werden. In der kurzen Zeitspanne zwischen Juni und Ende August hat der Herr Bankdirektor uns einige Male recht herzlich begrüßt.


Elektrosysteme angepasst


Restaurierung allgemein

Der Umfang und die Geschwindigkeit, mit der eine Wiederherstellung eines Bootes durchgeführt werden kann, hängt von mehreren Faktoren ab: 

  • Gültige Vorstellung des Begriffs "Restaurierung" in Bezug auf Entwurf, gebrauchte Materialen, Dauerhaftigkeit, gewünschte weitere Lebensdauer (für die Ewigkeit oder wie ursprünglich vorgesehen)
  • Verfügbarkeit von Zeit und Geld
  • Fachkenntnis des Eigentümers (je weniger Erfahrung, desto länger dauert es)
  • Alter des Besitzers (noch zu erwartende Anzahl an Jahren in glücklicher Symbiose mit der restaurierten Yacht als Fachmann oder als Segler)
  • Präferenz des Eigners, das heißt, wünscht er so bald wie möglich zu segeln oder so lange wie möglich fachmännisch beschäftigt zu sein. In beide Fälle kann es gegen die Vollendung einer richtigen Restaurierung wirken.  

Im Winter 1987 /1988 wurden die anderen geplanten Aktivitäten ausgeführt. 
Die Leckagen wurden weitgehend unterdrückt. Der Ersatz des Totholzes war ein guter Griff. 


1988 - 2001

In der Saison 1988 kam das Fockstag los von dem Vorstevenbalken. Schrauben zu kurz und zu alt ebenso wie der Beschlag. Alles wohl möglich, weil "Pinta" schließlich 50 Jahre alt wurde und ihre wirtschaftliche Nutzungsdauer schon lange vorbei war. Das hatten die Engländer schon im Jahr 1970 entdeckt. Sie war damals nicht mehr geeignet für schwere Trainingsprogramme in Kiel und wurde deswegen verkauft an einen privaten deutschen Eigner für einen ruhigen Alltag. Das hätte sie noch viele Jahre schaffen können, aber segeln nach England und Frankreich, wie die Bouter Familie und Freunde es planten und ausführten, verlangte mehr. 
Zwischen 1988 und 1995 nahmen die Anzahl an Leckagen über und unter der Wasserlinie an Anzahl und Schwere zu. 
Eine automatische Lenzpumpe wurde installiert. Die musste vor allem bei starkem Segeln feste arbeiten. Danach ein oder zwei Tage an den Steg und dann war alles wieder zu (und die Torsion wieder raus).


Torsion

Es wurde allmählich klar, dass umfangreiche Reparaturen erforderlich waren. 
Diese wurde 1996 gestartet. Geldmangel und Arbeitslosigkeit verursachten dann, dass das Werk erst im Jahr 2001 abgeschlossen wurde. Alle Matten und das Epoxid wurden entfernt. Es wurde festgestellt, dass die Gänge in gutem und vernünftigem Zustand waren und dass die wieder mit Matten und Epoxid bekleiden kein Todeskleid sein wurde.
Alle Nähte zwischen den Gängen wurden ausgeschliffen und injiziert mit Epoxid, der Rumpf wurde mit Matten wieder zugedeckt. Alle Decksnähten wurden ausgefräst und neu versiegelt. 
Diese "Restaurierung" hat viel Geld gekostet und war nur 50% erfolgreich. Also 50% Geld nutzlos eingesetzt.
Der erster Versuch, zu restaurieren, ist nicht gelungen.


Gelernt:

  • Nicht alle Bootsbauer können Qualität liefern
  • Qualität kann man nicht immer kaufen; mehr Geld bedeutet nicht automatisch bessere Qualität
  • Resultate müssen ausgehandelt werden; Qualität ist, was der Kunde erwartet (nach Beratung mit den Bauer)
  • "Qualitätsbootsbauer" und "nicht-Qualitätsbootsbauer" berechnen denselben Stundenpreis
  • Wenn man es nicht selbst kann, muss man bezahlen
  • Wenn man bezahlen muss, sollte der Bootsbauer 100% vertrauenswürdig sein
  • Wenn das Boot erst einmal auf die Werft gestellt ist, kann alles verloren sein - Geld und Boot
  • Boot auf der Werft ist oft ein "Point of No Return"
  • Es gibt noch mehr "Points of No Return"

Bemerkung:
Die beschriebene nicht gelungene Restaurierung wurde nicht erledigt von Thom van Zijp oder Benno Rexwinkel


"Katzenbuckel"

Points of No Return:

Isotopen durch und Eisen in dem Kielbalken
Durchsägen
Reparieren oder ersetzen
Kielbalken und Deck
Kielbalken oder Deck
Deck oder Kielbalken
Eisen oder Stahl
Erneuerte wirtschaftliche Nutzungsdauer
Original oder state of the art


Fotos:
Fred Bouter
Rexwinkel Jachtbouw
Flying Focus


Teil 2


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