VORGESTELLT

Aus Sicht eines Seglers anno 1955: Das Folkeboot

Aus der "Yacht" 1955, 23:

An der Wiege eines neuen Volksbootes steht immer der Wunsch, endlich ein wirklich billiges Boot zu schaffen, mit dem auch die weniger Begüterten Wander- und Rennsegeln betreiben können und das auch von den Seglern selbst gebaut werden kann. Man einigt sich daher auf ein möglichst vollkommenes Einheitsboot mit vielen Beschränkungen (die eine Verteuerung vermeiden sollen). Wird nun der beabsichtigte Zweck erreicht, daß sich viele Segler ein solches Volksboot bauen, dann entstehen sehr große Felder dieser Klasse, die Regattatätigkeit wird sehr lebhaft, mit der Intensität der Regattatätigkeit steigt der Ehrgeiz der Beteiligten und ihr Bestreben, sich durch größeren Aufwand für ihr Boot im Rahmen der Vorschriften bessere Voraussetzungen für Regattaerfolge zu schaffen. Am Endpunkt der Entwicklung steht dann doch wieder ein teureres Boot, das allerdings den Nachteil hat, daß es allen den Seglern, die vorwiegend Fahrtensegeln betreiben, aber die Klassen- und Rennfähigkeit ihres Einheitsbootes aufrechterhalten wollen, Beschränkungen auferlegt. Wahrscheinlich würden sie dann für dasselbe Geld ein gleich großes Boot bekommen, das zwar kein Einheitsboot wäre, aber ihren persönlichen Wünschen und Bedürfnissen mehr gerecht wird. Da sich der niedrige Preis einer Einheitsklasse auf die Dauer doch nicht halten läßt, die eigentliche Pointe eines Einheitsbootes, nämlich der Bau wirklich rationeller und verbilligender Großserien von 100 oder 200 Booten, doch niemals verwirklicht wird, ist wahrscheinlich den Seglern mehr damit gedient, wenn es für Bootsklassen, die dem Fahrten- und Rennsegeln dienen sollen, bei Konstruktionsklassen bleibt.

Nach Mitteilung des Schwedischen Seglerverbandes gibt es vom Nordischen Volksboot, das seit 1952 Einheitsboot des Skandinavischen Seglerverbandes ist, in Schweden 432 Exemplare, in Dänemark 220 und in Finnland etwa 100. Norwegen besitzt dagegen nur drei Volksboote. Der Preis für dieses Boot variiert nach Angabe des Schwedischen Seglerverbandes nach Lage der Werften und Qualität der Boote zwischen 11 000 bis 13 000 Schweden-Kronen (9100,— bis 12 300,— DM). Man stelle sich einmal vor, daß die 400 schwedischen, 200 dänischen und 100 finnischen Volksboote in den drei Jahren von je einer Werft in gleich hohen Serien oder die gesamten 700 Boote in einer Serie von einer einzigen Werft geplant, kalkuliert und gebaut worden wären. Es hätte sich nicht nur ein erstaunlich günstiger Preis für das einzelne Boot einschließlich Segel und Ausrüstung ergeben, sondern auch ein fast hundertprozentiges Einheitsboot von immer gleicher Qualität. Wahrscheinlich hätte gleichzeitig dem einzelnen Besteller die Finanzierung seines Bootes durch ein weitgehendes Abzahlungssystem erleichtert werden können. Auf keinen Fall hätte eine spätere Verteuerung anders als im Zuge einer allgemeinen Verteuerung, die auch ein Steigen der Einkommen nach sich zieht, erfolgen können. Aber die Segler haben zwar gelernt, in Einheitsklassen zu denken, nicht aber gleichzeitig wirtschaftlich zu denken, so daß sich die Vorteile von Einheitsklassen heute immer wieder ins Gegenteil verkehren.

Was nun das nordische Volksboot angeht, so ist es ein geklinkertes Kielboot mit Plattgatt, Kajütaufbau, aber ohne wasserdichte Plicht mit zwei festen Schlafplätzen. An Segeln sind nur das Großsegel und ein Vorsegel erlaubt. Der Gebrauch eines Spinnakers kann von nationalen Verbänden oder Vereinen für ausschließlich nationale Rennen zugelassen werden. Der Mast kann, wenn entsprechende Verstärkungen eingebaut werden, auch auf Deck gestellt werden.


Folkeboote im Register klassischer Yachten



Zum Vergleich ein weiteres Einheitsboot, die amerikanische „Seaman 27"

Interessant ist, daß von skandinavischen Werften das Nordische Volksboot für den Export nach Nordamerika leicht verändert wurde. Vor allem sind die für Amerika bestimmten Volksboote nicht mehr geklinkert, sondern karweel gebaut. Die Vorstellungen von einem kleinen Seeboot sind eben in den einzelnen Ländern mehr oder weniger verschieden. Interessant ist der Vergleich mit einem etwa gleich großen Serientyp einer New Yorker Werft. Es handelt sich um eines der sogenannten „Stock boats", Serientypen, die von den Werften auf Vorrat gebaut werden und naturgemäß möglichst weitgehend die Wünsche und Vorstellungen einer bestimmten Gruppe von Interessenten zu erfüllen suchen. Nach Angaben der Werft entstand die Konstruktion auf Grund vielfältiger Wünsche nach einem kleinen Seekreuzer, die man zu verwirklichen gesucht hat. Es soll ein Boot für Tagesfahrten mit mehreren Personen sein und soll sich für längere Fahrten über See eignen. Die Linien und der Segelriß wurden auf Grund von Erfahrungen im Schleppversuchskanal mit Rumpfformen und in Hochseerennen entwickelt. Mitgesprochen haben aber zweifellos auch arbeitstechnische Erwägungen und kalkulatorische Überlegungen der Werft.

Während das Nordische Volksboot ein reiner Plattgatter mit V-Spant ist, baut die amerikanische Werft ein Boot mit U-Spant, mit breitem Jachtheck und untergebolztem Kiel. Das hat unter anderem den Vorzug, daß man den Typ ohne Veränderung des Rumpfes auch als Schwert- oder Kielschwertboot bauen kann. Tatsächlich wird das Boot auch als Kielschwerter mit etwas verkleinerter Segelfläche geliefert. Bei dieser Ausführung verschwindet das Schwert beim Aufholen völlig im Kiel, so daß der Raum in der Kajüte dadurch nicht beeinträchtigt wird. Die wasserdichte, selbstlenzende Plicht hat man für das kleine Boot, mit dem auch die Teilnahme an kleineren Seerennen möglich sein soll, für unbedingt erforderlich gehalten.

Wenn ein Verband eine Klasse schafft, schreibt er für die Boote Mindesteinrichtungen vor. Eine Werft, die Serientypen liefert, bietet dem gegenüber immer ein Höchstmaß an Einrichtung und Bequemlichkeit an. Der „Seaman 27" enthält vier Schlafplätze, außer den zwei Sofakojen zwei Kojen im Vorschiff, das durch den nach vorn gezogenen Kajütaufbau im Luk besser ausgenutzt wird. Im Vorschiff, das durch eine zweiflügelige Tür abgeschlossen wird, befindet sich auch ein Pump-WC. Außerdem ist ein Schrank an Backbord neben dem durchgehenden Steckmast und an Steuerbord vor dem Achterschott der Kajüte eine Anrichte mit Abwaschbecken. Stauräume für Segel usw. befinden sich neben der Plicht. Zu den Vorzügen des hier verwandten runden Hauptspantes gehört auch, daß sich der Hilfsmotor bequem einbauen läßt.



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