Freundeskreis Klassische Yachten

"O'HAI" - Haiboot

Text: Michael Möller / Kai Greiser



Das Hai-Boot hat den Namen des ältesten und intelligentesten Raubfisches der Welt. Der Hai feiert in diesem Jahr seinen siebzigsten Geburtstag.

Elegant, schnell und vertrauenserweckend kommt der „Hai“ daher. In Deutschland nur wenig bekannt ist er in Finnland und Frankreich sehr beliebt.
1930 sind die Commodores der Yachtclubs in Helsinki und Tallin, Eric Numelin und Erik von Holst auf der Suche nach einer sicheren und preiswerten Segelyacht und bitten Sie den Konstrukteur Gunnar L. Stenbäck aus Helsinki, eine Yacht zu entwerfen, mit welcher sich in den hei-mischen Gewässern Regatten ebenso segeln lassen, wie auch Törns mit Familie und Freunden machbar sind.
Die Anforderungen an eine Segelyacht, welche im Baltikum gesegelt werden kann, sind durch die natürlichen Anforderungen von Wetter und Küstenverlauf vorge-geben. Es muß eine Yacht sein, mit welcher die wechselnden Windbedin-gungen im Schärengewässer und die zahl-reichen Untiefen ebenso zu meistern sind, wie die hohen Wellen.
Der Hai ist zwischen einem Drachen und einem Folkeboot einzuordnen. Im Gegen-satz zum Folkeboot und zum Drachen kommt der Hai mit weniger Tiefgang, weniger Unterwasserschiff und mit we-niger Segelfäche aus. Werden Wind und Wellen besonders hoch, so kann der Hai länger dem Wetter trotzen. Der Rumpf geht weniger empfindlich mit den Wellen um und schiebt sich auch noch sicher durch das Wasser, wenn Folkeboot und Drachensegler bereits daran denken, die Segel zu streichen. Der Drachen wird mehr als Regattayacht gesegelt. Das Folkeboot als Touren- und Regattayacht. Der Hai kann beides ebenso gut. Der Hai wird bis heute in Pinie auf Eiche gebaut. Die Aufbauten sind in Eiche, oder in Ma-hagoni. Der Ballast hat ein Gewicht von 1010kg. Die Verdrängung beträgt 1,75 t.
Bei unserem Besuch in den USA im Oktober letzten Jahres in Camden/Maine erzählt uns Ann Montgomery, sie selber segelte in den 60-iger Jahren einen Hai, dass eine kleine Werft in Turku, Finnland bereits im Jahr 1935 schon 25 Haiboote in den USA an Tom Watson vom Camden Yachtclub verkauft hat. In der us-amerikanischen Zeitschrift „SAILING“ ist im Heft vom Mai 2000 nachzulesen, daß die Produktion ähnlichen Prinzipien folgen soll wie bei dem Autobau bei Ford. Der Preis von damals 500.-$ inklusive Trans-port war so günstig, dass amerikanische Yachtzeitschriften Alarm schlagen, man fürchtet einen unfairen Wettbewerb mit amerikanischen Bootsherstellern.
Segel werden beim Hai nicht gerefft sondern gestrafft. Unter normaler Kraft-anwendung, erzählt Markus Maksimainen, aus Turku - er ist Schiffsingenieur und Besitzer eines Schoners, mit dem er im Sommer in Finnland ausgedehnte Se-geltouren im Schärengarten anbietet - und lacht, wird das Segel hochgezogen. Denn zieht man etwas mehr, dann bekommt man auch etwas mehr Segel....
Als ich seinen Freund Risto Numiora er managt ein Geschäft für Sportfahrräder in Turku frage, wie sicher ein Hai ist, sagte er, „ein Haiboot ist sicher, sehr, sehr sicher“ und er fügt hinzu „ vor Jahren wurde ich von Markus zum „Haisegler“ gemacht. Nach einer Regatta in Helsinki wollten wir wieder nach Turku zurücksegeln. Es hatte 8 Beaufort und die Wellen waren 4 m hoch. Da sollte ich die ganze Zeit an der Pinne sein, während Markus auf dem Heck stand und noch angelte und sich freute. Seit damals bin ich ein „Hai-Segler“ und auch er lacht“.
Die Segler der Haie tragen dieses Lebensgefühl in sich. Hannu Jauhiainen, Ingeniuer aus Heinola sagt, „wir Hai-Segler sind alle verrückte Leute“. Naja, ob das stimmt oder ob nicht auch andere Segler verrückt sind, das können wir nicht beurteilen. Aber schnell wird aus dem „zahmen“ Haisegler, ein „wilder“ Haisegler, der mit seinem Hai das Wasser in atemberaubendem Tempo durchschnei-det und das Segeln zu einem Abenteuer macht.
Mit Leichtigkeit arbeitet die dreiköpfige Crew Hand in Hand, die Schoten an Bord werden ohne Winschen gefahren, um die zu klein geratene Segelfläche in Form zu halten. Bis acht Windstärken wird der Hai im Küstengewässer ungerefft gesegelt.
Stattliche zweihundert Haie kreuzen heute in Finnland im Schärengewässer und auf Seen und etwa eben so viele in Frankreich an Mittelmeer, dem Atlantik und auch auf Seen.
Keineswegs ist der Hai nur das Gefährt wilder, regattahungriger Naturburschen. Auch gemütliche Fahrten mit Familie und Freunden oder ganz verliebt nur zu zweit werden unternommen. Die langen Sommer in Finnland lassen den Hai zum Reisegefährt werden. Wenn die Tage schier endlos scheinen, das Licht der Sonne sich auch nach Mitternacht nicht verdunkelt, dann fühlen sich auch verliebte Pärchen aufgerufen, durch den Schären-garten zu segeln. Es ist nahezu ein Muß mit der Liebsten wenigstens einen ausgiebigen Törn zu machen. Ganz verträumt erzählt uns Mika Salko, Lehrer an einem Gymnasium aus Naantali, daß er vor Jahren seine Liebste und heute seine Frau zu einem Törn mitgenommen hat, welcher eigentlich nur wenige Stunden dauern soll. Aus dem Dämmertörn wird eine Nachtfahrt, das weiß er schon die ganze Zeit. Hätte er ihr das verraten, wäre sie nicht mitgekommen. Dafür muß er sämtliche warmen Pullover zur Verfügung stellen. „Aber ich bin froh, daß ich das wenigstens einmal mit ihr gemacht habe“.
Auch in Frankreich haben die Segler eine enge Beziehung zu ihren Haien, die dort „Requin“ heissen. Philippe Boisnard, er hat eine Papeterie an der Champs Elysee in Paris und ist der Präsident der französichen Requinvereinigung, erzählt uns dass die Franzosen ernsthaft darüber nachgedacht haben, ob ein Requin auch ins Ausland verkauft werden darf. Vor einigen Jahren wurden zahlreiche Requin der französichen Marine verkauft. Denn als Trainingsboot für die Kadetten hat der Requin lange Jahre Dienst geleistet. Daraus erwuchs eine gewisse Art Nationalstolz für den Requin.. Den Anfang nahm diese Leidenschaft, nachdem im Jahr 1934 in Frankreich die Association Francaise des Propietaries de Requin (AFPR) gegründet wurde und später die Lizenz für den Bau der Haiboote von der Witwe Stenbäcks nach Frankreich verkauft wurde. Der Requin ist in Frankreich baugleich mit dem Haiboot in Finnland aber die Franzosen entschlossen sich für ein größeres Rigg mit 25 qm Segelfläche anstelle von 22qm.
In Deutschland zieht heute der Hai die bewundernden und neugierigen Blicke anderer Segler auf sich, weil er hier so unbekannt ist. Den ersten deutschen Hai soll 1935 die Werft Empacher & Karlisch in Köngisberg gebaut haben. Die Werft Scharstein in Kiel-Dietrichsdorf baut vor dem Krieg sechs Haie. Drei segelten in Berlin, die „Fiducit“, „Hankou“ und „Karma VI“. Bereits im Jahr 1936 entstehen bei den Eignern der Karma VI, K.H.Schaumburg und der Hankou, J. Möller erste Überlegungen , eine nationale Hai-Boot Vereinigung in Deutschland zu gründen. Der Krieg macht ihre Pläne zunichte. Die drei Berliner Haie verbrennen bei einem Bombenangriff im BYC.
Im Archiv der Baltischen Segel Vereini-gung aus Steinhude lese ich, daß wohl-habende Fabrikanten aus Riga und Tallinn für die bis zu 40 Yachten starken Re-gattafelder wunderschöne mit Verzie-rungen versehene Silberpokale gestiftet haben, wie z.B. den „Manon“ Pokal von der Tabakfirma „Laferme“ aus Tallinn, aus dem Jahre 1930. Die „Umsiedlung“ der Balten-Deutschen 1939 aus dem Baltikum ins Deutsche Reich beendet diese Hai-Regatten. Durch den „Anschluß des Memellandes“ 1939 wächst der Bestand an Haien in Deutschland auf 22. Über den Verbleib dieser Haie läßt sich nichts sagen, die baltischen Haie kommen nach Flensburg und Kiel.
Einen weiteren deutschen Hai, die o’HAI kauft mein Groß-vater, der Apotheker Hans Möller aus Ueckermünde in Kiel 1938 bei Scharstein. Von diesem Hai kenne ich als kleiner Junge nur ein Photo, das in der Apotheke meines Vaters, Hans Möller, hängt. Mein Vater erzählt, wie er mit seinem Vater und seinem Bruder Ulrich 1939 rund Rügen mit dem Hai gesegelt ist. Nach 1945 war der Hai nicht mehr gesehen. Erst 1990 nach der „Wende“ entdeckt mein Vater die o’HAI. Sie liegt noch immer an der Uecker, so wie einst. 1993 erwerben wir sie und segeln sie. Wir recherchieren und können die Voreigner ausfindig machen. Werner Muchow aus Greifswald zeigt uns viele Photos und Preise aus seiner Segelzeit mit dem Hai, so daß wir für die o’HAI von 1938 bis heute ein Bilderalbum anlegen können.
Während der DDR-Zeit hat die o`HAI zahlreiche Veränderungen erfahren. Wir wollen den Hai möglichst originalgetreu wieder herstellen. Auf meiner Suche nach weiteren Haiseglern in Deutschland, treffe ich Gerda Eichmann, eine alte Dame, welche in den 50-iger Jahren in der Nordsee mit ihrem Hai segelte. Sie em-pfiehlt uns nach Finnland zu reisen, denn sie weiß aus Erinnerung, ihr Hai war ein finnischer Hai, daß dort zahlreiche Hai-segler anzutreffen sind. Im Januar 1994 reisen wir nach Naantali, im Südwesten Finnlands. Dies ist der Beginn von lang-jährigen Freundschaften mit finnischen Haiseglern und wir lassen unseren Hai durch eine erfahrene Werft restaurieren.
Im Sommer 1995 segeln wir erstmalig mit unserer Tochter Valerie (1/2 Jahr) und dem Sohn Jascha (11). In der Schärenküste Naantalis unternehmen wir gemeinsame Segeltörns mit finnischen Haiseglern. Als wir im Sommer 1998 in Naantali erst-malig an der finnischen Meisterschaft teilnehmen, entstehen erste Überlegungen zu einem World-Cup der Haie. Eine Re-gatta mit Haiseglern anderer Länder wäre eine echte Herausforderung.
Vom Haifieber infiziert erwerben wir 1996 einen weiteren Hai, den unser Sohn Jascha „Shark Attack“ tauft. Dieser Hai wird ebenfalls in Deutschland auf der Werft Scharstein nach dem Krieg in Kiel Strande gebaut. Nach dem Krieg wird die 30-Fuß-Regel von den Allierten für deutsche Segler erlassen. Diese sollen nicht mehr in internationalen Regatten konkurenzfähig sein und so ordnet man an, das Haiboot nur noch 9,16 m anstatt 9,60 m zu bauen. Es mutet daher schon beinahe wie ein Schildbürgerstreich an, dass Scharstein dieser Anordnung Folge leistete, aber kommentarlos das Boot eine Planke höher baute und so wieder eine schnittige Yacht konstruierte.
In Deutschland segeln heute von diesen sechs Haien heute noch fünf Haie.
Bei der Veteranenregatta 1999 in Laboe testen wir die restaurierte Shark Attack mit unseren finnischen Freunden Markus und Risto, welche in Finnland auf der „Zic-Zac“ die nationalen Meisterschaften 1996 und 1998 erlangen. Mit ihnen er-leben wir den Vorgeschmack auf wilde Regatten anläßlich des Welt-Cups.
Im August 2000 wird es nun so weit sein. Die Haiklasse startet ihren 1. Welt-Cup im Jahr des siebzigsten Geburtstages. 65 Jahre nach dem ersten internationales Haisegler-treffen im schwedischen Sandhamn. Segler aus Finnland, Frankreich, Deutschland werden erst nach Hamburg zur „Hamburg Summer Classic“ des HSC kommen, um dann ab dem 13. August in Laboe zu regattieren und schließlich auch auf der Internationalen Veteranenregatta um Po-kale zu segeln. Mit etwas Glück kommt auch eine estnische Crew, es wird gerade ein estnischer Hai restauriert. Vielleicht auch eine Crew aus Camden/Maine, den Atlantik hat ein Hai bisher noch nicht überquert! Die ersten finnischen Fiber-glass-Haie, die „Hai-2000“ werden ebenso dabei sein, wie die Fiberglass Requin.
Fredrik Forss, der Präsident der finnischen Haiseglervereinigung und Lehrer an einer Gewerbeschule aus Pietarssaari sagte uns schon im Winter bei seinem Besuch in Hamburg, „wißt Ihr, was Ihr da in Deutschland macht, ist für uns Finnen und die Haiklasse eine richtig große Sache“ und fügt hinzu, „wir veranstalten den 2. Welt-Cup“.

Weiter Informationen zur Haiklasse im Internet:
Französische Klassenvereinigung www.lr17.tm.fr./requin
Haiseglervereinigung in Deutschland www.members.aol.com/haibootworldcup/title.html

Technische Daten zum Hai / Requin / Hai-2000
Hai - Requin - Hai-2000
LüA (m) 9,6 - 9,6 - 9,6
BüA (m) 1,9 - 1,9 - 1,9
LwL (m) 6,6 - 6,6 - 6,6
Tiefgang (m) 1,1 - 1,1 - 1,1
Verdrängung (t) 1,75 - 1,85 - 1,85
Ballast (t) 1,05 - 1,05 - 1,05
Fock (qm) 6 - 6,93 - 9,5
Großsegel (qm) 15,5 - 18,13 - 16,5
Spinnaker (qm) 31 - 36 - 36

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