"Ella" - Kreuzeryacht

Hinweis: In unserem Beitrag wird die Kreuzeryacht noch "Veleda" genannt. Ella ex Veleda wurde nach umfangreicher Restaurierung am 23.7.05 an ihrem 70. Geburtstag in ihren Erstnamen "Ella" zurückbenannt.

Text: Silke Blume, Photos: Jan Koberstein / Uwe Petersen

Irgendwann im Winter 1934/35 nahm W.R.S. Bond seinen Telefonhörer in die Hand, ließ sich mit einem Londoner Anschluß verbinden und hatte etwas später den Schiffsdesigner Frederic Shepherd an der Strippe:



Shepherd fertigte also bis zum März des gleichen Jahres diverse Zeichnungen an, so daß die schottische Traditionswerft Miller & Sons in St. Monance den Bau des Wishbone-Schooners im Juli abschließen konnte. Das Schiff lief am 22. Juli 1935 vom Stapel.

In dem Archiv einer kleinen Bücherei in Anstruther wurde ich nach langer Suche endlich das Opfer eines überwältigenden Gefühls: Die „Geburt“ unseres Schiffes eröffnete sich schwarz auf weiß vor meinen Augen:
„Yacht launched – James N. Miller & Sons, Ltd., of St. Monance, launched a 67-feet Wishbone schooner from their yard on Saturday. This is the first vessel of this typ to be built at the local yard. The vessel is from the designs of Mr. Frederic Shepherd, M.I.N.A., London, and is built to the order of Mr. W.R.S. Bond, London, a member of the Royal Thames Yacht Club. As the yacht left the ways christened Ella by Mrs. Bond, wife of the owner. The vessel is engined by a Gardener Diesel engine, developing 47 h.p. The internal accomodation is beautifully finished in polished mahogany. Electric light is fitted throughout. A large crowd witnessed the launch. The new boat left for Methil early on Monday.“ (Fife Observer, 27. Juli 1935)

Die Sterne für die Mission meines Besuches schienen mit diesem schottischen (P-)Fund ausgesprochen glücklich zu stehen. Und sie sollten mir auch weiter den Weg weisen:
Einige Häuser neben der Library befindet sich nämlich das Scottish Fishery Musuem. Ja, und da trat ich dann auch mal in die Tür und lernte Eric kennen; ein Bootsbauer etwas früheren Baujahres, der sich vorrangig natürlich mit Fischerbooten beschäftigt und in diesem Zusammenhang auch mit dem Erbe der Miller-Werft im nur wenige Kilometer entfernten St. Monance. Nicht nur, dass er uns die nahezu komplett vorhandenen Original-Zeichungen der Ella post Veleda präsentieren konnte, brachte er uns auch die Geschichte „unserer“ Werft etwas näher:



James N. Miller & Sons existierte seit 1747 als Familienbetrieb und war bis 1992 die älteste Bootsbauwerft Groß Britaniens. Hier sind unzählige Fischerboote, 27 Yachten seit 1935 und später kleinere Motorboote, sowie die bekannten „Fifer“ vom Stapel gelaufen, alleine 497 Schiffe von 1935 bis 1976. Dies war auch der Zeitraum, in dem Jimmy Miller (heute 81 Jahre) durch seinen Vater und seinen Onkel in den Betrieb wuchs, um ihn später zu leiten. Jimmy entschied sich 1976 jedoch aus diversen verständlichen Gründen zum Verkauf an die englische John Mowlem Gruppe: “If I had had sons the business would have been passed on, but we could see the end was coming 20 years ago. Every boat we built was more advanced, the catching power was greater, the electronics became more advanced. It was only a matter of time.“
Dieses Zitat stammt aus dem Scotsmann vom 19.November 1992, einen Tag, nachdem die über 250 Jahre von John Miller eingeleitete Äera endete. 46 Mitarbeiter verloren ihre Jobs, für die Bewohner von St. Monance ein harter Schlag. Einige dieser Männer sitzen heute täglich - auch wenn es denn ‘mal regnet - auf der Bank gegenüber der alten Werfthalle, die noch immer in großen Lettern den Namen ihres Begründers trägt.
Da man Jimmy Miller in St. Monance nur selten sieht und der Knochen nicht zum Hund kommt, machten wir uns auf den Weg zu ihm.
Und endlich kommt Veleda wieder ins Spiel; für Jimmy natürlich nur bekannt unter dem Namen ELLA. Ella Bond hieß die Gattin, welche die 56 Tonnen schwere Yacht auf ihren eigenen Namen taufte. 18 Tonnen dieser Masse sind aus Blei und kamen in einem Stück aus dem Westen Schottlands nach St. Monance, wurden in die Halle verladen, auf den Boden verfrachtet und gerieten darufhin schnurstracks ins Rutschen. Die Arbeiter konnten nur hilflos zusehen, wie sich Ellas Kiel „seesüchtig“ Richtung Hallenausgang bewegte, dann aber doch noch vor dem eigentlich geplanten Sliptermin an Voreile nachließ. An ein Zurück war nicht zu denken und so wurde Ella dort gebaut, wo ihr Kiel eben liegen wollte.



Seit 1947 heißt Ella VELEDA, nicht etwa, weil man Mrs. Dunlop so zu nennen pflegte, sondern weil Mr. Dunlop sr., Commodore des Cluide Cruising Club und von 1947 bis 1952 Eigner des Schoners, eine Namensänderung für notwendig erachtete. Die Aussschreibung beschränkte sich auf den Familien- und Freundeskreis und so kam ein guter Geist auf den Namen der keltischen Druidin Veleda (6. Jhrdt.), Visionärin ihrer Zeit.
Unsere Veleda ist anders und – wenn es zur Sache tut – zum Beispiel vom Sternzeichen Krebs, Tendenz Löwe, also sensibel und kämpferisch; starker Körperbau - zum Glück, denn ihre Geschichte ist nicht leidlos.
Doch dazu später.
Zunächst ein Wort zum Rigg:
Veleda war als Wishbone-Schoner getakelt, genauso wie David Ryder-Turner sie vor zwei Jahren auf die Rückseite der Menukarte der Weinstuben bei einem Wintertreffen aus der Erinnerung mal eben rasch zeichnete. Der Wishbone war aber ein scharfes Geschütz mit unzureichender Anbringung, weshalb man ihn dann und wann an Deck antraf. Robert Dunlop sr. kam das ungeheuer vor. Er verbannte den verwunschenen Knochen vom Mast, bevor jemand ihm zum Opfer fallen konnte.



Mit ihm selbst am Ruder, setzte sich seine Crew aus seinen beiden Söhnen und einem Navigator zusammen. Die beiden Söhne verholten sich 1950 in den Hafen der Ehe, wodurch wiederum Mr. Dunlop Mühe hatte, sein Schiff mangels Besatzung sicher in andere Häfen zu verholen. Er verkaufte Veleda 1952 an Mr. Smith aus Southampton.
Mr. McMillan von der Isle of Wight erstand den Schoner und ließ ihm ein Refit zuteil werden. Für diesen Zeitraum, wir schreiben 1976, vermuten wir eine Änderung im Vorschiffsbereich und in der Pantry. Das übrige Interieur, ein echter Glücksfall, ist noch heute im Original vorhanden: Der wunderschöne Salon, die Achterkammer (zwei Kojen), Käptainskammer (eine Doppel- Kojen), die Eignerkammer (zwei Kojen) und die Sanitärräume (drei Toiletten, eine Badewanne). Recht großzügig, könnte man sagen, denn Veleda hat eine Länge von 21 Metern (mit Klüverbaum 24 Meter) und eine - wenn auch recht schmale - Breite von 4,65 Metern.



Einige Jahre nach dem Refit ging es zu den Bermudas, gleichzeitig aber schon in Richtung Norddeutschland und eine Weltumsegelung folgte mit ihrem neuen Hamburger Eigner.
Die 1986 um Veleda gegründete Gruppe gönnte sich erneut eine Reise auf allen Weltmeeren. Ein Aufenthalt in den West Indies begründete die Entstehung unserer jetzigen Eignergemeinschaft. Denn einer von uns hatte das Glück, unter den 300qm Segelfläche der Veleda den stetigen Passat der Karibik einzuatmen. Dort als Gast, im indischen Ozean als Bootsmann und schließlich als Schiffsführer im Mittelmeer. Dies alles innerhalb von sieben Jahren und weitere vier sollte es dauern, bis er Veleda als Eigner betrat.
Doch bevor er dies tat, beenden wir hier nun einmal die kurze Zeitreise in die jugendlicheren Jahre unserer Yacht und kommen zu dem bereits vorher angekündigten leidvollen Kapitel „Dazu später“.
Dazu jetzt! Denn es ist Zeit, aufzuräumen mit der Mystik um die Geschichte der Veleda ex Ella: Die junge, düstere Vergangenheit der schottischen Lady spiegelt sich im trüben Wasser des Harburger Hafens, Eingeweihten auch bekannt als „schwarze Lagune“.
Es war ein eisiger Winter und für Weihnachten kündigten die Wetterfrösche mehr Kälte an, als wir es im verregneten Hamburg gewohnt sind. Auf der zugefrorenen Alster gönnten sich einige Glühwein und andere machten dadurch ein glänzendes Geschäft. Was im Harburger Hafen geschah, bekam über die Weihnachtsfeiertage niemand mit: Ein offenes Seeventil gefüllt mit Hafenwasser platzte unter dem Druck des Eises. Während die Warmfront über Hamburg zog, saßen die meisten an hübsch gedeckten Tischen bei Fondue oder Gänsebraten und packten ihre Geschenke aus. Die Feiertage vergingen, der Werftbetrieb kam wieder in Gang und es wurde das Fehlen eines Schiffes bemerkt. Die Lücke klaffte, Veleda saß nicht tief, aber tief genug und das auf Grund. Taucher Flint konnte das Schiff 4 Tage nach seiner Grundberührung bergen.
So weit, so bitter, so viel Schlamm, so viel Nässe - ein Trauerspiel. Achtlos ein Ventil nicht zu schließen, keine Pumpen an Bord. Fraglos steht dieses Ereignis vor ungläubigen und verständnislosen Blicken. Warum passiert so etwas?
Veleda sollte verkauft werden und hatte seit 1995 nicht mehr ganz die Aufmerksamkeit erhalten, die notwendig gewesen wäre. Das tiefe Ausmaß dieser „Un“-Tat war nicht nötig, hätte man damals etwas mehr auf sie Acht gegeben, um zu retten, was zweifellos zu retten war und glücklicherweise heute noch zu retten ist.
Zudem zerrten die letzten Jahre vor der Grundberührung, da man den Genuß an der Yacht mehr schätzte, als sich um den langfristigen Erhalt dieser seltenen Schönheit zu bemühen. So liegt heute ein Schiff vor uns, dessen wechselvolle Geschichte kein einfaches Spiel war. Veleda ist aber besonders robust gebaut. Gutachter und Handwerker sind sich in einer Sache auf jeden Fall einig: Der große Umfang der im Original erhaltenen Substanz ist eine sehr gute Basis für die laufende „Überholung“.
Das große – und vieler Orts bezweifelte – Glück, 1999 die Eigner der Veleda zu werden, konfrontierte uns erstmals mit der Diskussion über Restaurierung, Reparatur, Denkmalschutz und Bestanderhalt. Von den Gedanken über den „objektiv richtigen“ Weg zunächst eingenommen, gehen wir mittlerweile unseren Eigenen, der von dem Wunsch bestimmt ist, Veleda so orginalgetreu wiederherzustellen, wie es ihre Substanz und unsere finanziellen Mittel ermöglichen.
In diesem Sinne verfolgten wir die Arbeiten am Rumpf mit großer Freude! Von den 94 Eichen-Doppelspanten konnten bis auf 20 Spantenmeter alle übrigen ihren Stammplatz behalten. Der 6cm starken Pitchpine-Beplankung brauchten unsere Bootsbauer ebenfalls nicht zu Leibe rücken, wobei das Teakdeck eine Sanierung nötig hatte. Während der einjährigen Werftliegezeit in Arnis konnten die Arbeiten am Rumpf abgeschlossen werden, und der „auxiliary“ Schooner erhielt statt des alten – nur sehr aufwendig zu reparierenden – Gardeners einen 120 PS Mercedes OM 352 (auch Mal ein technisches Datum zur Befriedigung der Nachfrage...). Aus eigener Kraft verholt, schwimmt (!) Veleda seit November 2001 in Bremerhaven, wo Bootsbauer unter Deck viele Streicheleinheiten verteilen (Schönheit kommt ja auch von innen!), um das Flair der schottischen Lady zu erhalten.



Die 67jährige Schottin wird nach der noch zu installatierenden Energie- und Elektrotechnik keineswegs ruhestandsverdächtig einem weiteren Frühling entgegen segeln. Bis sie wieder in altem Glanz unter Segeln zu sehen sein wird, ist nur noch eine – von uns mittlerweile in Geduld Geübten – Frage von wenigen schätzungsweise eineinhalb Jahren. Die ersten Segelproben planen wir für den Sommer 2003 und dann wird es für Veledas Freunde nach vier Restaurationsjahren irgendwann Zeit, die Früchte der Bemühungen zu ernten und unsere Träume mit und auf Veleda zu erfüllen.
Mag das gefühlte Tempo auch zwischenzeitlich etwas zu niedrig sein, so werden wir uns dann mit der alten Seglerphilosophie vertrösten: „ Die Seele reist mit.“... und zu gegebener Zeit wird sie mit nach Schottland zu den Wurzeln der Lady reisen – bestimmt ein neuer Anlaß, sich von Bord der Veleda zu melden!


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