„Gemischter Satz“ bei der „Holzpokal“-Regatta des AYC


Herrlich: gemeinsam segeln, Wind um die Nase wehen lassen, Wasser spüren, die hölzernen Schönheiten in die Wogen eintauchen lassen, Lage schieben, Wasser spritzt ... Freude einander wieder zusehen, Freude gegeneinander anzutreten – alles zwar auf COVID-19-Distanz aber die Herzlichkeit und der Spaß gehen auch mit 1,50 m Abstand nicht verloren. (Foto Y. Ritzkowsky)


So geschehen am Wochenende vom 22. und 23. August bei der AMMERSEE CLASSICS „Holzpokal“-Regatta des Ammersee-Yacht-Club e.V. (AYC) in Riederau zusammen mit dem Freundeskreis Klassische Yachten e.V. (FKY).

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Die Mischung macht’s.

29 Holzboote meldeten für die Holzpokal-Regatta: ein 12‘ Dinghy, eine Oslo-Jolle, zwei O-Jollen, ein Finn, eine Hansa Jolle, eine BB 17, eine H-Jolle, eine 20qm Wanderjolle, vier 22qm Rennjollen, ein 15er Jollenkreuzer, eine BM Jolle, ein Neptunkreuzer, ein 15er Schärenkreuzer, zwei 35er Nationale Kreuzer, drei Drachen, drei Meteryachten (eine 5,5mR, eine moderne 6mR und eine 1st Ruler 6mR), zwei L-Boote und zwei 45er Nationale Kreuzer – ein wunderschönes, gemischtes Feld von großen und kleinen Klassikern mit einer spannenden Yardstickwert-Range von 94 bis 145.

Herauszuheben sind drei der Neuzugänge, über die sich alle sehr gefreut haben und die das Regattafeld wunderbar abgerundet haben:

Da ist zum einen Ulrich Seidl vom DSC mit seinem wunderschönen 1961 erbauten 12‘ Dinghy (I-1708) von der Cantiere Nautico der Gebrüder Andrea und Ercole Archetti aus Peschiera Maraglio auf der Insel Monte Isola im Iseo See/Lombarbei, mit einem Yardstick-Wert von 145! Was ein beruhigendes Bild wie er entspannt und gelassen auch bei stärkerem Wind die Kurse absegelte. Sein Dinghy ließ bei einigen Teilnehmern die Erinnerung an Dr. Manfred Curry, ehemaliges Mitglied des AYC, aufleben, der 1928 bei den olympischen Sommerspielen in Amsterdam für die USA in einem 12‘ Dinghy startete.

12' Dinghy

Ein weiteres Highlight ist das Heimkehrer-Boot „Gazelle VI“ (L-110) ein 30qm Binnenkieler. Paul Simon, Mitglied im AYC seit Kindertagen, hat dieses Schmuckstück in der Nacht vom 21. Juni 2020 um zwei Uhr morgens bei einem guten Glas Weißwein von Peter Pfister vom schweizerischen Yacht Club Arbon (Bodensee) gekauft. Konstrukteur war Paul Francke aus Berlin. Die Werft Steinlechner/Pettinger aus Utting am Ammersee hat es 1922 für den Auftraggeber und 1. Eigner Hermann Wilhelm Muntzenbecher aus Hamburg mit Segelrevier Alster gebaut. 2007/2008 wurde sie von Hans-Joachim Landolt von der Michelsen Werft in Friedrichshafen restauriert.

L 119 Gazelle VI

Und da aller guten Dinge bekanntlich drei sind – dies gilt auch und gerade für den berühmten „gemischten Satz“ – „Gemischter Satz“ ist die Bezeichnung für den Anbau von Wein, der aus unterschiedlichen Rebsorten in einem Weingarten besteht, sowie dann des daraus hergestellten Weins. Dies weiß der Wiener Weinbauer Hans Peter Göbel, Mitglied im Union-Yacht-Club Stammverein und Wiedereinsteiger in der Segelei nach gutgereiften 40 Jahren zu berichten. Er kam mit seinem Finn Dinghy „little lola“, Ex Nina II (AUT 36) an den Ammersee. Erbaut wurde sein Boot 1962 von Johann Ratz in St. Gilgen am Wolfgangsee nach den Plänen des Schweden Erik Rickard Sarby, dem Finn-Konstrukteur. Auftraggeber und 1. Eigner seines Bootes war der langjährige Finn Präsident Helmuth Gubi vom Union-Yacht-Club Mondsee aus dem Salzburger Land.

Finn AUT 36 little lola

Die Liste der Neuzugänge bei den AMMERSEE CLASSICS muss dringend noch um folgende drei Boote ergänzt werden. Da ist zum einen „Mr. Winterbottom“ (GER 1141), der die Drachenflotte verstärkt. Eigner ist Werner Esswein vom ASC. Des weiteren die Modern 6m Rennyacht „Antares“ (GER 48) von Heidi Köster ebenfalls vom ASC und die BM-Jolle „In de clit“ (4360) von Dr. Andreas Hendrich vom AYC. Drei weitere herrliche Traditionsboote, die auch den Wettkampf bereichern.

D GER 111 Mr Winterbottom
6mR Antares
BM-Jolle In de clit, Foto Y Ritzkowsky

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Tradition bleibt Trumpf.

Die Durchführung der Wettfahrten orientiert sich seit Beginn der „Holzpokal“-Regatta an traditionellen Vorgaben. Der Start erfolgt immer vom Steg aus mittels einer historischen Startanlage mit fünf Korbbällen. Fünf Minuten vor dem Start ertönt das Ankündigungssignal, die fünf Korbbälle gehen hoch. Jede weitere Minute danach wird ein Korbball gesenkt. Die Start- und Ziellinie liegt vor dem Club, somit kann bei günstigen Windverhältnissen direkt vom Flaggenmast des AYC Steges gestartet werden.

Startanlage mit 5 Korbbällen vor deem AYC

Die Kurse werden ebenfalls nach traditionellen Mustern gesegelt. Vier in einem Quadrat ausgelegte Bojen sind je nach Windrichtung in einer bestimmten Abfolge zu runden. So manche Crew nennt diesen Traditionskurs liebevoll „das Strickmuster“ und es kommt vor, dass sich ein Boot an der Bahnmarke bewusst leicht zurückfallen lässt, um den Kurs auf die nächste, hoffentlich richtige Tonne anzulegen ... eine gehörige Portion Konzentration gehört sowieso zum Regattasegeln – für diese Kurse muss man noch ‘ne Schippe drauflegen.

Kurs A = Nordwind

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Der Wind, der Wind, das himmlische Kind.

Die Wind- und Wetterbedingungen waren an diesem Wochenende so vielfältig wie das Regatta-Feld, so gemischt wie die Yardstick-Werte und so variantenreich wie die einzelnen zu segelnden Kurse – für jeden Bootstyp war etwas dabei, es galt die jeweiligen Stärken richtig einzusetzen.

Am Samstag startete Dr. Harald Meyer, Sportwart und Wettfahrtleiter des AYC, pünktlich um 11.00 Uhr bei leichtem Wind (2Bft) mit Kurs A = Nordwind die erste Wettfahrt. Gegen 14.00 Uhr, zur zweiten Wettfahrt frischte es auf, der Wind drehte auf NW mit 2-3Bft in Böen 4Bft, dazu kamen tiefhängende, schwarze Wolkenbänder und ein ergiebiger Regen. Harry Meyer verkürzte diese Wettfahrt und da die Wettervorhersagen für diesen Tag keine Besserung mehr boten, wurden die zwei bzw. drei weiteren Wettfahrten auf Sonntag mit Auslaufbereitschaft um 9.00 Uhr gelegt. In den Hafen fuhren am Samstagnachmittag alle wie „getaufte Mäuse“, der guten Stimmung tat dies aber keinen Abbruch.

Wettfahrtleiter Dr. Harald Meyer, Foto Y. Ritzkowsky
Regenwetter

Am Sonntag wurden zügig nacheinander drei Wettfahrten gefahren. Es begann wieder mit einem leichten Wind (2Bft) aus Süden, so dass „Kurs E“ gesegelt wurde. Bei den nächsten beiden Wettfahrten nahm der Wind auf 3-4Bft in den Böen auf 5Bft zu. Die Richtung wechselte auf West und Nordwest, so dass nochmals weitere Kurse zum Tragen kamen. Die Abwechslung bringt’s.

Unseren alten Schmuckstücken gerecht wurde über alle Wettfahrten sehr fair gesegelt, ohne Bruch, ohne Proteste. Die verschiedenen Crews der Sicherungsboote konnten ruhig und bequem nebenher tuckern und wie die Land-Crews dem Regattaverlauf gelassen zusehen. Vielleicht ist das auch eine Form eines unausgesprochenen, leisen Dankes der teilnehmenden Segler an die helfenden Hände zu Wasser und zu Land.

Harry Meyer war angesichts der wechselnden Wind- und Wetterbedingungen sehr zufrieden, die ausgeschriebenen vier Wettfahrten durchgeführt haben zu können. „Leider kam der bei uns im Club hochgehaltene gesellschaftliche und kommunikative Teil in diesem Corona-Jahr etwas zu kurz, deshalb hoffe ich auf 2021 und freue mich dann auf unseren gemütlichen Samstagabend mit angeregten Gesprächen im oberen Bootshaus.“

Einen kleinen Trost gab es – wenn sich normalerweise alle nach und zwischen den Wettfahrten an den Steg oder die Bojen legen, so sind dieses Mal einige lieber auf und ab gekreuzt und haben sich im Vorbeisegeln oder Drumherum-Segeln gerne und gut unterhalten und ein wenig geplaudert.

Kornelia und Carola, die „Kallis Sisters“ vom Villa Amalia Verlag in Dießen, mit ihrem Motorboot-Chauffeur Hansjörg Schoenecker vom ASC gilt ein herzlicher Dank für die Treue, die sie den AMMERSEE CLASSICS halten und ihre wirklich poetisch schönen Fotos der Regatten.

Kallis Sisters Carola und Kornelia, Foto Lu Eickmann

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Ergebnis

Mit drei ersten Plätzen von vier Wettfahrten siegte der 15er Schärenkreuzer „Robin Hood“ mit Altmeister Vincent Hoesch, CYC, und seiner Crew Peter Liebner und Bernd Döpke, beide vom ASC.

Zweiter wurde die 22er Rennjolle „Zwiderwurz“ mit ihrer Stammmannschaft Oliver Betz, Michael Erhard und Patrick Wittmann, alle drei vom ASC.

Dritter wurde der 35er Nationale Kreuzer „Waggi“, gesteuert von Christoph Hagenmeyer, DSC, mit seinen Vorschotern Thomas Kaiser, YCU, und Manfred Michel, ASC.

Als schnellstes Boot des AYC ging der 45er Nationale Kreuzer „Argo“ in die Wertung ein mit Steuermann Dr. Johannes Schmohl, AYC, und seinen Vorschotern Barny Rudolph, AYC, Benedikt Gäch, ASC, und Jonas Nissen, DTYC.

Am AYC und ASC nahmen jeweils sechs Klassiker an den Wettfahrten teil.

Platz 1: 15er SK GER 9 Robin Hood
Platz 2: 22qm RJ J500 Zuwiderwurz
Platz 3: 35er NK T 66 Waggi

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Gesamtwertung

Die Platzierung der Boote geht automatisch in die gemeinsame Wertung der AMMERSEE CLASSICS, der vier Klassiker-Regatten von ASC, AYC, BSVR und DSC ein. Die letzte der vier Regatten, die „Holzboot“, findet am 05./06. September im Diessner-Segel-Club statt.

Es bleibt nur noch zu sagen, die AMMERSEE CLASSICS bringen all jene freundlichen Individualisten zusammen, die sich aus Liebe zu den klassischen Holzbooten und auch ein wenig aus Weltanschauung heraus um die Pflege maritimer Traditionen und für den Erhalt der schönen, alten Boote engagieren.

Carina Eickmann, Mitglied des AYC & FKY

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Foto: R Birkholz

Weitere Infos unter:

www.ammersee-yacht-club.de

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www.villa-amalia-verlag.de