Bootsbau vor 100 Jahren


Spricht man von der Yachtbaugeschichte an der Kieler Förde, stehen zumeist die Yachtbau-Abteilungen der Germaniawerft und und der Kaiserlichen Werft im Blickpunkt. Vielleicht auch noch die Werft von C. Schaarstein, die 1909 die 12mR-Yacht Schwanhild baute. Daneben aber gab es viele, viele kleine Betriebe, die schmucke Segel-, Motor- und Funktionsboote tischlern konnten. So der Betrieb Vollmers am Krusenrotter Weg, der von Jürgen Oltmann im Klassiker" 1/2021 vorgestellt wird.

Anhand von Fotos der Rathje-Werft, einem Bilderreigen aus den Jahren 1911 bis 1939, möchten wir einen weiteren Einblick geben, unter welch einfachen Bedingungen in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts die Bootsbauer beeindruckende Segel- und Motorboote bauten.


Paul Rathje, geboren 1890, war eigentlich Fischer und betrieb auf einem Grundstück in der Fritz-Reuter-Straße in Pries eine Fischräucherei.

Neben seiner Arbeit als Fischer brachte er sich den Bau von Booten bei, baute 1911 sein erstes Boot, zu Wasser gelassen wurde es am nahen Prieser Strand. 1920 legte Rathje auch in diesem Handwerk die Meisterprüfung ab.

"Eureka", Sommer 1911, das erste Boot im Bau, unser Titelbild zeigt - unter Segeln - ebenfalls die "Eureka"
5m Ruderjolle, gebaut 1914
7m Motorboot, nach Möltenort verkauft
Lieselotte
6m Motorboot mit 4 Zylinder, Siemens & Halske Motor, nach Heikendorf geliefert
5,5m Motorboot, nach Danzig geliefert
7,5m Motorboot, geliefert nach DK, S, NL und Kiel
6m Segelboot mit Kajüte "Min Muschi", nach HH geliefert

1922 wurde die Bootswerft Paul Rathje am Prieser Strand 14a schließlich offiziell gegründet und in die Handwerksrolle eingetragen.

Auf dem Werftgelände am Strand befand sich damals nur das heute noch erhaltene Fachwerkgebäude. Zusätzlich wurden ein Holzschuppen für den Neubau von Booten sowie eine mit Muskelkraft betriebene Slipanlage gebaut, um die Boote zu Wasser bringen werden zu können.

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Bis zum Anfang der 30er Jahre wurden hauptsächlich Motorboote gebaut, Auftraggeber kamen aus Kiel, Mönkeberg, Danzig, Hamburg, Schweden, Dänemark und Holland.

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1930 beschäftigte ein Großauftrag die Werft, der Bau des Verkehrsbootes „Luise“, das für die „Fünf-Seen-Fahrt“ in der Holsteinischen Schweiz bestellt wurde. Mit ihren 20 Metern Länge wurde sie nach dem Stapellauf auf einem Kesselwagen, von vier Pferden gezogen, auf der Straße von Pries bis zur Plöner Anlegestelle gebracht.

1930 läuft die Luise für die „Fünf-Seen-Fahrt“ in der Holsteinischen Schweiz vom Stapel

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in den 30er Jahren wurden im Auftrag der damaligen Reichsmarine mehrere 50er Seefahrtskreuzer gebaut. Zusätzlich entstanden weiterhin zahlreiche Motorboote, nur ein kleiner Teil des Geschäfts bestand aus Reparaturaufträgen. Während des Krieges wurden ausschließlich Kutter und Pinassen im Auftrag der Marine gebaut.

Stapellauf des 50qm Seefahrtkreuzers „Seeräuber“ für die Marine
Stapellauf des 50qm Seefahrtkreuzers "Seeräuber", Konstrukteur Bebensee, 1934
50er Seefahrtkreuzer 1936

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Schwerer Eiswinter
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30qm Seefahrtkreuzer "Normanne", Konstrukteur Bebensee
Stapellauffeier

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Nach dem Krieg wurde der Neubau von Booten fortgesetzt, nun wurden hauptsächlich Segelboote und für den unmittelbar benachbarten British Kiel Yacht Club 20 Sharpies gebaut.

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Nach und nach wurden die betrieblichen Anlagen mit zwei weiteren Slipanlagen und neuem Schuppen erheblich erweitert.

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1960 verstarb Paul Rathje im Alter von 70 Jahren. Und damit endet dann auch unser Rückblick auf die ersten Jahre der Werft, die 2022 stolz auf offizielle 100 Jahre zurückblicken kann…