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Classic Yacht Symposium 2015


Restaurierungsfragen interessieren viele: 170 Personen waren zum ersten Classic Yacht Symposium am 6. Februar nach Hamburg gekommen, um sich mit vielfältigen Fragen und Antworten auseinanderzusetzen. Selbstmacher, Bootsbauer, Sachverständige aus allen Teilen Deutschlands, selbst aus der Schweiz und Österreich.


Otto F. Wachs

Ikonen im Zeithaus

„Less is more!“
Erstaunlich viele Parallelen zeigte Otto Ferdinand Wachs, Klassikersegler, aber auch Leiter der VW-Autostadt in Wolfsburg, zwischen der Auto- und der Segel-Klassik-Szene.
Anhand des Werdegangs „vom Alltagsgefährt zum Lebensstil von heute“ konnte man erahnen, wo es auch bei uns Seglern in Zukunft hingehen kann.

In Auto- wie Yachtszene gibt es den Konflikt zwischen Repliken und den Originalen. Letztere reüssieren allerdings meist nur auf speziellen Oldtimerveranstaltungen und müssen die Eigner nicht wochenlang fern der Küste durch Stürme und Untiefen leiten. Insofern lässt sich die Diskussion um Originalität und Detailgenauigkeit der Restaurierung bei den Autos entspannter und vor allem konsequenter führen.


Christian Pütz

Bis zum Projekt REGINA dachte man, dass so eine akribische Restaurierung in unseren Gefilden nur mit Jollen oder kleinen Booten möglich ist.
Christian Pütz zeigte eindrucksvoll, dass dies auch mit einem 80er Seefahrtkreuzer gelingt.
Seine kompromisslose Einstellung und der unbändige Drang zum Perfektionismus sorgten auch noch am Abend für Gesprächsstoff.


J. Lammerts v Bueren

Im dritten Vortrag eröffnete John Lammerts van Bueren internationale Big-Boat Dimensionen.
Er gab einen Überblick über diverse Projekte, die er federführend betreute, und begeisterte mit spannenden Insider-Storys von Replikas wie ATLANTIC, INGOMAR oder ELEONORA und Restaurierungen legendärer Klassiker wie die CAMBRIA oder der 8mR HOLLANDIA. Erstaunlich, dass die Eigner kaum Mühen scheuen, um selbst kleinste Details wieder originalgetreu herzustellen und dafür weltweit nach Handwerkern suchen, die dazu noch in der Lage sind. Die sie dabei bewegenden Fragestellungen sind eins zu eins übertragbar auf Projekte kleinerer Boote!
Zahlreiche moderne Vorschriften zur Sicherheit und der Form der Unterbringung von bezahlter Crew hingegen engen den Raum für Originaltreue deutlich ein.
Und die finale Erkenntnis für Classic Designs: „no room for ego!“


Das schönste für ein Boot ist zweifelsfrei, wenn es für eine Restaurierung gar nicht erst jahrelang an Land stehen muss. Wenn es von Anfang an in Familienbesitz gesegelt, geliebt und bewahrt wird.
Rainer Enßlin aus Berlin zeigte unterhaltsam, wie seine Schratzjolle diesen schönen Weg - 35 Jahre Instandsegeln - bis heute gegangen ist und jede Lebensphase des Eigners mitgemacht hat, obwohl die vielen Reparaturen an dem mehr schlecht als recht gebauten Boot oft die letzten Kräfte forderten. Unser Foto zeigt seine Eltern, die seine Schratzjolle FRATZ 1958 gekauft hatten.
Fazit: Wenn das Boot auch wegen der vielen Anpassungen nicht so viel Spaß bereitet hätte, hätte sich wohl niemand gefunden, der die oft marode Substanz über die Zeit gerettet hätte.



Moderator Jan Lohrengel, Andreas Reuner


"Wassersport Ausstellung Berlin 26.3.1938"

Das fünfte Referat behandelte die Hausaufgaben und das Herangehen, bevor für eine Restaurierung die Werkzeuge aus der Kiste geholt werden.
Besonders nötig bei dieser geschichtsträchtigen Yacht: der STÖRTEBEKER III, die mit Schlimbachs Einhand-Atlantik-Überquerung berühmt wurde.
Eigner Andreas Reuner schilderte weitere Stationen der Yacht, u.a. den Rhein, Atlantik, Karibik, Südsee, Neuseeland, Hawaii bis in die Region von Vancouver. Dort spürte er 2003 das Boot auf und holte es schließlich 2013 zurück nach Deutschland.

Die Yacht hat im Laufe von 77 Jahren erhebliche Veränderungen im Innenausbau und Rigg erfahren. Wie nun damit umgehen?


Joachim Kaiser

Im letzten Vortrag brachte Joachim Kaiser Licht ins Dunkel beim Fachbegriffe-Wirrwarr und untermauerte jeden Blickwinkel mit seinem erfahrenen Fachwissen.
Sehr anschaulich wurden Begriffe wie Kulturgut, Denkmal, Konservierung, Restaurierung, Renovierung, Rekonstruktion, Replik etc. erklärt und definiert.
Anforderungen an die Ausführung einer denkmalgerechten Rekonstruktion wurden beispielhaft erläutert und die Unterschiede z.B. zwischen einer Sanierung, einem Refit, einer Instandsetzung und einer Ertüchtigung begreiflich gemacht.
„Jedes Denkmal braucht Authentizität, Integrität und intrinsische Eigenschaften.“


Diskussionsrunde 1 zur Wertediskussion unter Restaurierenden: Andreas Reuner, John Lammerts van Bueren, Christian Pütz, Joachim Kaiser, Wilfried Horns


Diskussionsrunde 2: Die Praktiker Uwe Baykowski, Dr. Norbert Stuntz, Sönke Stich, Björn Kaiser, Detlef Staats, Jo Vierbaum, Detlef Huss


Die Zeit reichte letztlich nicht, um auch nur annähernd alle Probleme zu diskutieren, Die Diskussion wurde auf weitem Feld quasi als Brainstorming geführt und betraf das alte Spannungsfeld zwischen Nähe zum Original und Anpassung an die Zeit.
Aber ein Anfang ist gemacht. Die Symposiumsteilnehmer sind aufgefordert, Anregungen, Vorschläge für ein weiteres Symposium zum Thema zu formulieren und an das Verstalterteam zu senden (info@fky.org)


Blick in die Runde:

rechts: Moderator Jan Lohrengel - mittig am Mikro Rainer Enßlin

Jan Lohrengel, Fotos: Ariane Schulz



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