NEWS

"Maharani" und "Circe" ausgezeichnet

Zwei Hansa-Jollen zieren voll aufgetaktelt als absolute Augenweide die Präsentation des Freundeskreises auf der Bootsausstellung in Hamburg. Scheinbar gleich, topgepflegt beide, in exzellentem Zustand. Schöner geht nicht. Und doch ganz unterschiedlich, zeigen sie beide eine ganze Bandbreite hölzener Bootsbaukunst auf, die in dieser Bootsklasse vorgefunden wird.

„MAHARANI“ 1963 von A&R gebaut. Klassisch geplankt, weitestgehend im Original. Vom jetzigen Eigner Niels Schildt mit viel Aufwand erhalten. „Nichts verbastelt und verschraubt“, wie aus der Klassenvereinigung anerkennend zu hören ist. Das Boot ist ein ausgesprochen würdevoller Adressat für die Plakette. Wenn nicht so ein Boot, welches denn? Auch wenn Eigner Schildt hier auf einen Splint und dort auf einen Schraubenkopf zeigt und in norddeutscher Kühle zurückhaltend erklärt, alles sei doch noch gar nicht fertig.

„CIRCE“ ist dagegen ein relativ neues Boot. Vom Eigner Günter Ahlers äußerlich ganz in dem typischen eigenen Stil der A&R-Boote gehalten, mit treffsicherem Blick bis ins Detail. Der Rumpf ist in Mölln vom Bootsbaumeister Thure Lackschéwitz aus Mahagoni im Vakuum-Verfahren erstellt, der Rest – wo immer möglich – wie der Original-Riss. „CIRCE“ wird bekanntlich viel gesegelt, dabei auch ordentlich „zur Brust genommen“ und reist auf dem Trailer durch die Lande. Und doch sieht sie aus, wie Freund Roland sagen würde, wie aus dem Laden. Nebenbei bemerkt: Mit der Verleihung der Plakette an Günter Ahlers wird daneben auch ein kleines Stück seinem unermüdlichem Engagement im Freundeskreis für den Status dieser Bootsklasse Respekt gezollt.

Am langen Mittwoch war der Präsident des Deutschen Boots- und Schiffbauerverbandes, Herr Torsten Conradi, Gast auf unserem Stand. In einer launigen Ansprache umriß er die beeindruckende Geschichte der Hansa-Jolle, ging auf die beiden ausgestellten Boote ein, wobei ihm als Konstrukteur der dem Kennerblick offenbare Wandel der Bootsbaukunst einige Anmerkungen wert war (wies im übrigen darauf hin, daß ein Boot erst „fertig“ sei, wenn es im Museum unter Glas stünde) und überreichte den Eignern vor großem Publikum die Plaketten. Über 50 Freundeskreisler hatten sich eingefunden und machten sich nach dem langen Applaus über Brezeln und Bier her.

Dank auch an die Hamburg Messe und Congress GmbH für den angemessenen Rahmen und die Unterstützung, ohne es die vom Hamburger Künstler Hinnerk Bodendieck gestalteten Plaketten wohl nicht gäbe.

Wer noch kommen möchte: Die Hanseboot ist bis Sonntag bis 18.00 Uhr geöffnet, Ihr findet uns am alten Standort in Halle B 4 Erdgeschoss (am Eingang „Ost“ am Dammtor).

.

Auszüge aus der Laudatio Torsten Conradis:

Wie alles wieder begann...

Wir gehen zurück in das Jahr 1947. Der war Krieg verloren, das Land am Boden, fast das gesamte Bootsmaterial zerstört oder beschlagnahmt. Die alliierten Sieger hatten zudem den Neubau seegängiger Boote über 6 m Länge verboten. Und dennoch suchten vom Segelvirus infizierte Menschen nach neuer Perspektive. Sie gingen mit der Idee, ein kleines Boot zu schaffen, das sich für das Befahren von Flüssen und Watten eignete, auf Henry Rasmussen zu, dem Konstrukteur vieler erfolgreicher Yachten und Boote – meistens auf seiner Werft A&R in Lemwerder gebaut.
Rasmussen hatte 1920 für seine Kopenhagener Freunde Oskar und Haak Jörgensen eine kleine Jolle mit dem Namen „VISKA“ gebaut, mit der diese beiden, bisweilen aber auch einer allein, erstaunliche Reisen auf der ganzen Ostsee und auch manchmal sogar auf der Nordsee unternahmen.
Aufgrund der besonders guten Erfahrungen mit dieser Jolle nahm Rasmussen sie sich 1947 als Vorbild für die Entwicklung eines neuen Bootes. Der „Viska“-Entwurf bekam mehr Freibord, mehr Sprung, einen etwas größeren Tiefgang mit 30 % Eisenballast und vor allem einen festen, abschließbaren Kajütaufbau. Henry Rasmussen nannte sie „HANSA-JOLLE“. Die Bezeichnung „Jolle“ ist eigentlich irreführend, denn sie ist mit ihrer festen Flosse und mit ihrem Tiefgang von 50 cm ein klassischer Kielschwerter. Der Ballastkiel von 150 kg und die Breite von 1,65 Meter geben dem Segelboot gute Stabilität.
Die ersten zwei Boote wurden 1948 an den NRV geliefert. Ihnen sollte noch eine ganze Reihe als Teil eines selbst zu damaligen Zeiten ungewöhnlichen Ringtauschgeschäftes folgen:
A&R hatte bei Kriegsende einen Teil seiner letzten Holzvorräte retten können, indem man sie kurzerhand im Werfthafen versenkte. Aber es fehlte doch an allem, um die langsam beginnende Bautätigkeit für ausländische Rechnung zu betreiben. Der NRV in Hamburg, dessen Clubhaus an der Alster zwar zerstört, dessen Mitgliedern es aber irgendwie gelungen war, die clubeigene 12mR Yacht „SPHINX“ einigermaßen unbeschadet über den Krieg und dann vor dem Zugriff der Engländer zu retten, verkaufte sie zunächst an A&R. Das Schiff ging weiter an die Holzkaufleute Gebrüder Freudenberg, die dank ihrer chilenische Pässe es ganz legal erwerben und unter chilenischer Flagge segeln konnten. Im Gegenzug erhielt die Werft das dringend benötigte Holz. A&R wiederum lieferte dafür an den NRV neben einigen Hummelbooten und Piraten auch 8 Hansa-Jollen, die der Verein an seine Mitglieder verkaufte. Mit dem Erlös konnte zum Aufbau des Clubhauses an der Alster beigetragen werden.
Im Jahr 1960 wurde die Hansa-Jolle dann als Nationale Klasse des Deutschen Seglerverbandes anerkannt. Bis zum Jahre 1969 entstanden immer wieder Hansa-Jollen bei A&R, manche als Lehrlingsarbeit und Gesellenstück, davon gingen einige auch auf die andere Seite des Atlantiks in die USA und nach Venezuela. Die Werft A&R gab inzwischen die Pläne frei für den Bau durch andere Bootsbauer. Bis heute hat sich die Hansa-Jolle auch durch die Einbeziehung moderner Baumaterialien als lebendige Klasse erhalten.
Einem breiteren Publikum wurde die Hansa-Jolle durch zwei legendäre deutsche Segler bekannt:
der dreifache Weltumsegler Rollo Gebhard segelte 1959 mit seiner ersten von A&R gebauten „SOLVEIG“ über das Mittelmeer nach Tunis und mit diesem Boot 1960/61 nochmals spektakulär über das Mittelmeer, durch „den Suez“ über das Rote Meer bis in den Golf von Aden;
Einhand-Weltumsegler Wilfried Erdmann unternahm 2003 eine 144 Tage dauernde Segelreise über fast 1300  Seemeilen mit der 1954 von A&R gebauten „KATHENA GUNILLA“ durch die norddeutschen Küstengewässer und die Seenplatte Mecklenburg-Vorpommerns.

Die hier stehende „MAHARANI III“ wurde 1963 in klassischer Karweel-Bauweise bei A&R für Dr. Schulemann gebaut und danach lange von dem nicht nur in Hamburg bekannten Dieter Timm, der auch eine Rolle in dem SPHINX-Deal spielte, gesegelt, bevor er sie an unseren Freund Niels Schildt verkaufte. Das Boot ist weitgehend original erhalten und – wie Sie sich hier selbst überzeugen können – in einem hervorragenden Pflegezustand.
Das andere Boot, die auch hier stehende „CIRCE“ ist dagegen ein junges. Es wurde 1998 von dem Bootsbaumeister Thure Lackschéwitz aus Mölln in formverleimter Bauweise, also 5 Lagen à 2,5mm Mahagoni in Doppeldiagonal- Karweel im Vakuum über einem Block mit Epoxidharz verleimt, aber ansonsten in klassischer Bauweise fertiggestellt. Günter Ahlers segelt seitdem (und hoffentlich noch lange) mit ihm erfolgreich auf Touren und Regatten. Er unterstreicht – gelegentlich auch lautstark - dabei immer wieder zurecht die Herkunft der Konstruktion als Seefahrzeug, wobei die Betonung hier auf „SEE“ liegt.

Mit der vom Hamburger Künstler Hinnerk Bodendieck gestalteten Plakette „Segeln, Lieben, Bewahren“ soll der Erhalt auch historisch wichtiger Exemplare des maritimen Erbes gewürdigt werden.
Es ist mir eine Ehre, beiden Eignern in diesem Jahr diesen Preis überreichen zu dürfen.



top...