PFLEGE & RESTAURIERUNG

Projekt "Älskling / YKN" Teil I

- die Renovierung einer 68 Jahre alten 6,50m Kielschwert Grünhagen-Weserjolle

von Bernd Metz



Als wir vor 25 Jahren von Bremen beruflich in die Nähe des Steinhuder Meeres zogen , brachten wir unsere 6,50m Kielschwert - Weserjolle Baujahr 1944 mit zu unserem neuen Hausrevier. Anlieger berichteten, dass sie schon zu früheren Zeiten immer wieder Jollen dieses Typs auf dem „Meer“ getroffen haben und erfreuten sich des Anblicks dieser eleganten gaffelgetakelten, klassischen Boote. Z.Zt. sind zwei dieser Jollen im Sommer dort unter Segel.

Der Konstrukteur Ferdinand Grünhagen, ein passionierter und erfolgreicher Segler, der einen Kunstschmiedebetrieb in Bremen besaß, zeichnete als Hobby bereits um 1907 erste kleine Jollen von 3-5m Länge speziell für das Revier Weser. In den 20er Jahren wurde er mit seinen Entwürfen für 5,50m und 6,00m Boote mit Schwert oder Kielschwert bekannt. Grosse Flotten segelten erfolgreich auf der Weser und den angrenzenden Revieren und die Grünhagen-Weserjollen wurden ein Begriff.

Eine 5,50m Kielschwertjolle wurde vor einigen Jahren vor dem Verfall gerettet. Nachzulesen auf www.fky.org unter „Zwischen Herz und Verstand“.

Ferdinand Grünhagen gab auch während des 2. Weltkrieges keine Ruhe und 1940 entstand der Entwurf einer 6,50m Kielschwertjolle. 1941 wurde ein erster Bau durch Beschuss zum Totalschaden, aber die Eigner erhielten eine Entschädigung und ließen umgehend ein neues Boot auf Kiel legen. „Die Yacht“ hatte schon 1942 von den neuen 6 1/2ern berichtet.

Unser Boot, 1944 auf der Rhode-Werft in Altenesch an der Weser gebaut, lag viele Jahre im Oberweser Segelverein und später im Segelverein Weser mit wechselnden Besitzern. Als wir das Boot übernahmen, war es in einem guten Zustand und wurde von uns auch weiterhin mit Liebe gepflegt. Doch in den letzten Jahren gab es immer wieder Probleme mit dem Deck. Der Decksbelag aus Presspappe, die anstatt des ersten Leinenbezuges aufgelegt wurde, zeigte immer häufiger durchfeuchtete Stellen auf und musste jedes Jahr im Winter mit Glasfasergewebe und Spachtel ausgebessert werden. Es wurde Zeit für eine generelle Sanierung des Decks, zumal alle anderen Teile des Bootes gesund und stabil aussehen. Auch sonst ist die Jolle dicht und es ist eine Freude, bei jedem Wetter zu segeln.

Eigentlich sollte es eine kleine Lösung werden, d.h. Presspappe runter und eine ganzflächige dünne Sperrholzschicht aufleimen. Dazu den Viertelstab am Waschbord und die Reelingsleiste erneuern. Im Hinblick auf die anstehende Sanierung waren alle Einbauten und das lose Inventar aus dem Boot entfernt worden. Nach Besichtigung und Begutachtung bei der renommierten und bekannten Bootswerft Bopp und Dietrich in Steinhude kam es zu der Empfehlung, das alte Deck einschließlich der Unterschalung zu entfernen und dafür nur eine stärkere Sperrholzplatte direkt auf die Decksbalken und -wegerung zu befestigen.

Diese Ansicht wurde nach Entfernen der Presspappe erhärtet, denn der alte Decksunterbau aus Fichtenholz mit Nut und Feder war in großen Flächen nass und teilweise verrottet. Auch waren ein Decksbalken und Teile der Deckswegerung, des Achterschotts sowie Waschbord achtern angefressen und rott. Hinzu kam, dass der Stevenkopf, die Außenhaut am Bb.Want und eine Kannte am Spiegel durch verdeckte Feuchtigkeit über Jahre schwarz verfärbt und faul war. Es war mühsam, die alte Decksbeplankung abzureißen, denn jedes Brett war mit zwei verzinkten Vierkant-Nägeln auf jedem Decksbalken befestigt. So mussten wir mehrere Hundert Nägel ziehen und Schrauben aus der Reelingsleiste drehen.

Viele weitere Fotos zum Zustand des Bootes vor der Sanierung!

Nach dem nun die Jolle „enthauptet“ war, wurde erst einmal in Vorbereitung der späteren Decksbelegung der Unterbau, sprich Wegerung, Decksbalken, Außenhaut von Mitarbeitern der Werft Bopp und Dietrich saniert und ausgebessert. Dass die Werft ihr Handwerk versteht, davon zeugt nicht nur, dass sie jährlich mehrere Rümpfe für L-Boote, für 45er Nationale Kreuzer und andere formverleimt in hervorragender Qualität ausliefert, sondern auch eine lange Reihe an Reparaturarbeiten, die überwiegend während der Wintermonate durchgeführt werden.

Viele weitere Fotos zur Sanierung des Unterbaus!

Der nachfolgende Arbeitsablauf zur Erneuerung des Decks gibt in etwa den zeitlichen und materiellen Einsatz wieder.

Unsere Weserjolle hatte ein weißes Deck und sollte es auch wieder bekommen. Daher wurde einfaches, 10mm dickes, 7lagiges Schälfurnier-Sperrholz zugeschnitten und auf das aufwendige Schäften verzichtet. Die Plattenstöße wurden später V-förmig auf den Decksbalken angelegt und mit Gewebe und Epoxi-Spachtel ausgefüllt. Vor dem Verlegen wurden die Decksplatten von unten mit Epoxi versiegelt. Die Decksbalken, -wegerung und die Außenhautkannte wurden mit angedicktem Epoxi satt eingestrichen und die Plattenteile mit Zwingen und Spanngurten auf die Unterlagen gepresst. Bei der Deckswölbung war das mit 10mm-Sperrholz gar nicht so einfach. Auf Schrauben hat man weitgehend verzichtet und nur an später verdeckten Stellen eingedreht. Denn irgendwann später können sich diese sonst im glatten Deck abzeichnen und zu Dichtigkeitsproblemen führen. Überschüssiges Epoxi unter Deck wurde mit dem Spachtel entfernt.

Viele weitere Fotos zur Deckserneuerung!

Nach dem Aushärten wurden der Überstand an der Außenhaut abgeschnitten, das Deck mit Putzhobel und mit langen Schmirgelbrettern geglättet und für saubere Plattenübergänge gesorgt. Als Nächstes wurde das Deck mehrfach satt mit Epoxi getränkt und gerollt, dann wieder geschliffen, geschliffen und nochmals geschliffen. Aber damit nicht genug, wurde nach zweimaligem Auftrag von Interprotect wieder geschliffen, um noch kleinste Unebenheiten auszugleichen und eine glatte Oberfläche zu gewährleisten.

Die Mahagoni-Fische an Deck, die später naturlackiert bleiben sollten, waren aus der Planke gesägt und nach alter Form und Schablone ausgeschnitten. Auch diese wurden angepasst und mit Epoxi Mitte Deck aufgeleimt. Zur besseren Haftung wurden diese mit Bleibarren beschwert.

Als Nächstes war die Abdeckung für die Kante Waschbord /Deck zu entscheiden. Viertelstab oder Hohlkehle. Wir haben uns für die Hohlkehle entschieden. Dies sieht auch schick aus und ist mit geringerem Aufwand verbunden. Dazu wurde am Waschbord, zu diesem Zweck außen abgezogen, und dem Deck in je 10mm Abstand sauber abgeklebt und der auf Mahagonifarbe abgestimmte Epoxi-Spachtel aufgetragen. Nach dem Trocknen wurde die Hohlkehle fein glatt geschliffen.

Vor dem Lackieren fehlte jetzt „nur“ noch die Scheuerleiste und Reelingsleiste. Dazu wurden erst zwei 25mm starke Mahagonibretter langschäftig auf sieben Meter Länge verleimt und danach daraus je 2 Leisten nach altem Profil zugeschnitten und gehobelt.

Die Scheuerleiste wurde vorgebohrt und mit Epoxi plus Schrauben genau in Deckshöhe überlappend mit der Außenhaut befestigt. Wegen der starken Ausbuchtung des Decks vorne wurde, um ein Brechen zu vermeiden, die Leiste in diesem Bereich etwas dünner gehobelt. Alles ging gut und die Schrauben wurden wieder entfernt, die Löcher verspachtelt. Denn nach der Endlackierung sollte statt der alten, gebrochenen Alu-Schiene noch eine 3mm starke und 10 mm breite Niro-Leiste aufgeschraubt werden.
Die Reelingsleiste wurde entsprechend vorbereitet und mit Proppenbohrungen versehen. Bei den stärkeren Rundungen im Abstand von 15cm, sonst 30cm. Die Speigatten wurden nach alten Abmessungen gebohrt und dann die Leiste mit Epoxi aufgesetzt, die Schraubenlöcher verproppt. Später wurden die Proppen auf Leistenhöhe geköpft und alle Leisten mit Schmirgelpapier geglättet.

Viele weitere Fotos zum Aufbau der Oberfläche!

In Vorbereitung auf das Finish wurden die Leisten und Holzteile an Deck erst viermal mit dem Pinsel und DD-Klarlack grundiert und dann gespritzt. Dazu mussten alle Teile des Bootes, die nicht lackiert werden sollten, großflächig mit Klebeband und Papier abgedeckt werden.
Bevor das Boot für den weißen Decksanstrich abgeklebt werden sollte, wurden alle neuen Mahagoniteile sowie die gesamte Decksfläche noch zweimal mit DD-Klarlack satt gespritzt. Als krönender Abschluss dann die Decksfläche angeraut und dreimal mit weißem DD-Lack gespritzt.

Das Deck hatte ja bis zur Renovierung 68 Jahre gehalten. So wie es jetzt aussieht, ist nicht ausgeschlossen, dass es noch einmal den gleichen Zeitraum überdauert. Das Resultat rechtfertigt den Einsatz!

Inzwischen sind auch der Mastkoker und alle Klampen und Beschläge an Deck, einschließlich Niro-Scheuerleiste, montiert und die Weserjolle ist startklar für die nächste Saison.

Laut einer Liste des FKY im Yachtsport Archiv sind noch 11 existierende 6,50m Kielschwert-Weserjollen aufgeführt. Bei einem Versuch, den einen oder anderen Eigner zu einem Flottentreffen zu überreden, musste ich feststellen, dass ein Großteil der Boote seit Jahren hoch und trocken in Schuppen und Garagen ihr Dasein fristet und schon lange nicht mehr bewegt worden ist. Es wäre schön, wenn dieser Anstoß dazu führen würde, diese Boote wieder flott zu machen, damit dieser Bootstyp als ein Zeugnis klassischen Bootsbaus weiterhin erhalten bliebe.



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