VORGESTELLT

Der "Blitz"-Jollenkreuzer

Aus der "Yacht" 1954, 19: "25 qm - Jollenkreuzer auf der Tagesordnung"


"Blitz"-Jollenkreuzer im Register klassischer Yachten


Als man seinerzeit die Jollenkreuzer-Klassen einrichtete, glaubte man mit den drei Klassen mit 15, 20 und 30 Quadratmeter allen Wünschen und Bedürfnissen gerecht geworden zu sein. Es wurden im Laufe der Jahre bis 1939 67 15er, 213 20er und 79 30er gebaut. Heute weist das Jachtregister einen Bestand von 74 15ern, 176 20ern und 58 30ern aus. Als einzige Korrektur an dieser Klasseneinteilung sollten unmittelbar vor dem Kriege in der 20er Klasse auch Stahlbauten zugelassen werden, die damals vor allem in Stettin entstanden waren. Daneben waren drei Kielschwert-Kreuzerklassen und ein kleiner Einheitsseekreuzer eingeführt worden. Inzwischen hat die Entwicklung durch die völlig veränderten Nachkriegsverhältnisse eine nicht ganz vorauszusehende Entwicklung genommen. Die Jollenkreuzer haben an Bedeutung gewonnen und haben Freunde unter Seglern gewonnen, die früher unter den günstigeren Verhältnissen einen Seekreuzer gebaut hätten. Die Kielschwertkreuzerklassen sind ganz unter den Tisch gefallen. Die drei Jollenkreuzerklassen reichen nun offensichtlich nicht mehr aus, um allen Wünschen gerecht zu werden. Es fehlt die — übrigens damals auch bei den Kielschwertkreuzern vorgesehene — 25 m2-Klasse. Also Jollenkreuzer, die etwas größer und daher wohnlicher als die 20er, aber nicht so teuer wie die 30er sind. Wie immer in solchen Fällen, wo das vorhandene Klassensystem nicht ausreicht, sind entsprechende klassenlose Jollenkreuzer entstanden, die sich nach Angabe des Övelgönner SC, der den Antrag auf Neueinführung einer 25er Jollenkreuzer-klasse gestellt hat, in dieser Klasse zusammenfassen lassen würden. Die Erfahrung lehrt, daß ein vorhandenes Klassensystem die Segler nicht auf die Dauer zwingen kann, bestimmte Größen und Typen zu bauen und daß es sehr schwer ist, vorher zu sagen, welche Größe eines Klassensystems „einschlägt" und bevorzugt werden wird. Bei den Seefahrtkreuzerklassen z. B. wurden die 30er von privaten Eignern und die 50er vor allem von Organisationen und Behörden gebaut, während die Klasse der 40er kaum Interessenten gefunden hat. Wenn das Bedürfnis nach einer 25 m2-Jollenkreuzerklasse vorliegt, kann man es auf die Dauer nicht übergehen, wenn man nicht die Entwicklung zum Ausgleichs-Schwertboot fördern will. Da es sich bei denen, die sich diese Boote bauen würden, um Segler handelt, für die als erstes das Fahrten- und Wandersegeln und erst in zweiter Linie das Regattasegeln kommt, wird man diese Boote doch bauen und, weil es keine Verbandisklasse dafür gibt, auf eine Regattabetätigung weitgehend verzichten. Wenn man das Bedürfnis für diese neue Größe der Jollenkreuzer verneint und diese neue Klasse nicht einführt, wäre praktisch also nichts gewonnen.

Tatsächlich besteht inoffiziell die Klasse der 25er Jollenkreuzer bereits, wenn auch nur als Stahl-Einheitsklasse. Für den Fall, daß der Seglertag den interessierten Seglern, die wohl vor allem an der Unterelbe, der Weser, dem Niederrhein und ähnlichen Revieren zu suchen sind, die allgemeine 25 m2-Jollenkreuzerklasse nicht bewilligt, beantragt der Övelgönner SC von 1901, seine stählernen Blitzboote, die sonst eine Sondergruppe der neuen 25 m2-Klasse werden sollen, zur Einheitsklasse oder Bezirksklasse zu erklären.

Die Blitzboote geben das typische Beispiel für eine Klasse, die sich ausschließlich aus einem praktischen Bedürfnis und aus den Gegebenheiten heraus von selbst entwickelt hat. Daß gerade solche Klassen, wenn es sich zudem um Einheitsboote handelt, ein langes Leben haben, beweisen die Vertenskreuzer, die aus einem für die Ostseegewässer bewährten Typ heraus entwickelt wurden und dadurch so brauchbar sind, daß sie noch immer neue Freunde finden und übrigens — was für die Lebendigkeit der Klasse spricht — auch zum Gegenstand eines Antrages an den Konstanzer Seglertag geworden sind. Über die Entstehung der Blitzboote, die bei den großen Elberegatten in Scharen auftreten und auch auf Weser und Rhein vertreten sind, berichtet der Vorsitzende des Övelgönner SC von 1901, Willy Beckmann: „Bereits vor dem letzten Weltkriege erwogen einige Kameraden im Klub den Selbstbau eines neuen Bootes, um endlich einmal von den uns auf Grund unseres Geldbeutels anhaftenden Booten aus 3. bis 12. Hand loszukommen. Wir sind keine ausgesprochenen Regattasegler, mehr Fahrtensegler, lehnen aber eine schöne, frische Wettfahrt nicht ab. Es wurden drei Forderungen gestellt: 1. Es sollte ein Wanderfahrzeug für eine kleine Familie sein. 2. Es sollte handig sein und wenig Tiefgang haben, um unsere Gewässer auf Elbe und Watt auskosten zu können. 3. Es sollte einigermaßen schnell sein, und man sollte damit auch mal eine Regatta zu gleichen Bedingungen mitfahren. Ein Kielboot schied daher aus. Unser Konstrukteur, der Klubkamerad Paul Böhling, hatte uns bereits mehrere 20er Jollenkreuzer in Stahl vorgebaut, die uns aber etwas zu klein erschienen. Der 30er war uns zu groß, daher einigten wir uns auf 25 m2. Vor allem aber sollte es ein Stahlbau werden, wir hatten es satt, immer nur das Ösfaß und die Pütz zu schwingen. So entstand in schöner Zusammenarbeit aller Beteiligten auf dem Brett des Konstrukteurs dieser Entwurf des 25 m2-Jollenkreuzers in Stahlbau. Als Unterscheidungszeichen wählten wir einen Blitz, um damit die Beziehung zum Stahlbau und der Schweißung auszudrücken. Mit 8 Booten wurde die erste Selbstbau-Serie aufgelegt. Die meisten Beteiligten brachten nicht einmal die handwerklichen Voraussetzungen mit, nur zwei Schiffbauer waren dabei. 1947 kamen die ersten Boote dieser Klasse zu Wasser. Schnell fanden sie Verbreitung. Heute sind von dem für diese bisher noch inoffizielle Klasse federführenden SC Oe 50 Einheiten registriert, etwa 25 weitere sind noch im Bau."

Der Linienriß lehnt sich an die bewährten Linien des vorher entwickelten stählernen 20ers an, der aus mehreren Typen für die oft rauhe Elbe entwickelt wurde. Der Segelriß zeigt bewußt keine Extreme, entsprechend der Zweckbestimmung des Bootes als handiges Wanderboot, das auch viel Einhand gesegelt wird. Das Boot liegt auch bei starkem Wind ohne Vorsegel gut auf Ruder. Es segelt ganz vorzüglich, ist vollkommen ausgeglichen und wendig wie eine Jolle. Im Seegang benimmt es sich prächtig und verliert kaum an Fahrt.

Das Vorschiff ist wasserdicht abgeschottet und nur von Deck aus begehbar. Die Einsteigklappe hat Gummidichtung und ist wasserdicht. Im Vorschiff ist nur ein Fußboden vorgesehen, es dient als Segel- und Taulast und bietet bei Verwendung einer Luftmatratze Schlafplätze für zwei Kinder oder ein bis zwei Erwachsene. Auch das Achterschiff ist bis Spant 3 wasserdicht abgeschottet. Hier wurden vielfach Seitenborder fest eingebaut, deren Welle mit Schraube durch eine verschließbare Öffnung im Spiegel eingeführt wird, so daß die Schraube beim Segeln nicht behindert. Außerdem ist noch viel Platz für Lampen, Petroleum, Werkzeug usw. vorhanden. Die Einrichtung in der recht geräumigen Kajüte ist freigestellt. Der weit nach vorn gesetzte Schwertkasten, der nicht stört, dient auch zur Aufnahme des Klapptisches. Das Hauptgewicht ist auf Wohnlichkeit gelegt. Stauraum ist reichlich auch in der sehr geräumigen Plicht vorhanden. Der Rumpf wird als Einheitsrumpf nach den Aufmaßen des Konstrukteurs gebaut. Als Mindeststärken sind für Bodengang, Kimmgang und Schergang der Außenhaut und für das Deck 2 mm vorgesehen, für den Spiegel und Schwertkasten 2,5 mm, für Schotten 1,5 mm, für den Vorsteven 3 mm, für Spanten und Balken 20 x 20 x 3 mm, für den Kiel 50 x 50 x 5 mm. Die Spantentfernung beträgt 310 mm. Bauteile mit gleichem Widerstandsmoment sind zugelassen. Die sehr ausführlichen Bauzeichnungen geben Gewähr für eine einheitliche Bauweise.

Die Eigner der Blitzboote sind mit ihren Booten sehr zufrieden und loben die vorzüglichen Eigenschaften, besonders die Wohnlichkeit, die Handigkeit und die relative Schnelligkeit. Dabei wird gesagt, daß man die Boote — etwa durch Lattenrigg und Gewichtsersparnisse — noch schneller machen könnte, wenn man wollte, aber man will gar nicht und freut sich, daß durch den Einheitsbau gleiche Voraussetzungen bei Regatten gewährleistet sind.



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